Das Aschenkreuz
Wurst und Käse, deren Geruch ihr bis unter die Nase stieg. Von wegen Enthaltsamkeit und Kasteiung, von wegen nur Wasser und Brot!
Ihr Verdacht hatte sich also bestätigt. Und ebenso wenig, wie dieser falsche Heilige fastete, war er auserwählt, die Wunden des Heilands zu empfangen. Sie musste nur noch die Beweise finden. Mit zwei Schritten war sie am Schuppen und schob langsam, ganz langsam, den Riegel zur Seite. Das leise Quietschen, während sie die Tür einen Spalt weit aufschob, ließ sie zusammenzucken. Sie hielt inne. Noch konnte sie davonlaufen.
Doch Bruder Cyprian schien sich in seiner Brotzeit nicht stören zu lassen, denn jetzt rülpste er vernehmlich. Rasch schlüpfte sie mitsamt dem Hündchen in den Schuppen und zog die Tür hinter sich zu. Das Licht, das durch die Spalten der Latten drang, ließ zunächst nur altes Gerümpel erkennen: Schaufel und Harke neben einem Stapel Brennholz, ein zerbrochener Schemel, ein alter Ledereimer mit Scherben darin, ein Haufen Lumpen in einer Ecke und andere mehr oder weniger wertlose Dinge. Dazu stank es nach altem Mief und Mäusekot. Und auch ein wenig süßlich.
Unterdessen war der Hund schnurstracks zu dem Stoffhaufen gerannt und begann aufgeregt darin zu wühlen. Sie schob die Lumpen mit der Fußspitze zur Seite, woraufhin eine nagelneue Holzkiste zum Vorschein kam. Als sie den Deckel öffnete, hielt sie den Atem an: Deutlich stieg ihr der Geruch von frischem Schweineblut in die Nase. Zwei Blechkannen, kleinen Milchkannen ähnlich, befanden sich in der Kiste, dazu ein irdener Becher und ein Kästchen mit befremdlichem Inhalt. Da gab es eine Spritze, eine kleine Schöpfkelle, einen hölzernen Rührlöffel sowie zahlreiche daumennagelgroße Kügelchen, aus Schweinsblase oder Darm gefertigt.
Da hatte sie nun die ganze schlichte Wahrheit des sogenannten Blutwunders vor Augen, das Woche für Woche Heerscharen staunender Christenmenschen hierher strömen ließ. So einfach konnte man also die Leute für dumm verkaufen – selbst einen Mann Gottes wie Pater Blasius!
Sie hob die Deckel der Kannen auf. Wie erwartet, befand sich in der einen dickflüssiges Blut, in der anderen Wasser zum Verdünnen. Man brauchte das verdünnte Blut nur mit der Spritze in die Kügelchen zu füllen, die sich wunderbar in den Falten von Cyprians Lumpengewand verstecken ließen. Mit ein wenig Geschick und Übung konnte der Einsiedler dann während der Messe die Blutkügelchen herausklauben, in den Händen verbergen und dann zu gegebenem Zeitpunkt zerplatzen lassen. Nur für die Wundmale an den Füßen brauchte es fremde Hilfe – und in Gedanken sah Serafina wieder den jungen Mönch Immanuel vor sich, wie er sich bückte, als sei ihm etwas heruntergefallen oder als wolle er sich an dem langen Saum von Cyprians Kutte zu schaffen machen. Was für ein Schelmenstück!
Nur leider hatten zwei Männer der erfolgreichen Fortdauer dieses Wunders im Wege gestanden. Bruder Rochus, als Küster der Kapelle, war entweder eingeweiht gewesen und hatte irgendwann, als ihn die Gewissensbisse plagten, gedroht, alles zu verraten. Oder er war, ebenso unwissend wie der junge Hannes, zufällig auf diese Kiste hier gestoßen.
Sie hatte Mühe, das Hündchen von ihrem Fund fernzuhalten, und so schloss sie rasch den Deckel der Kiste. Sie hatte genug gesehen, um die Freiburger Ratsherren zu überzeugen, dass in Sankt Peter und Paul ein ganz infamer Betrug vor sich ging, in dessen Folge zwei Menschen hatten sterben müssen. Von hier aus würde sie ohne Umwege in die Kanzlei marschieren und ihre Entdeckung melden.
Gerade als sie die Lumpen wieder zurechtlegte, möglichst so, wie sie zuvor gelegen hatten, ließ ein lautes Gepolter von nebenan sie zusammenschrecken. Das Hündchen begann leise zu knurren.
«Bist du schon wieder am Fressen?», hörte sie plötzlich eine ergrimmte Männerstimme. «Wie oft hab ich dir gesagt, dass vor der Freitagsmesse nichts mehr gegessen wird? Auf dass du hernach womöglich rülpsen oder furzen musst …»
Ihr Herzschlag setzte aus. Jeden anderen hätte sie bei Cyprian erwartet, nur nicht Pater Blasius! Mit einem Satz war sie bei der Tür, doch die ließ sich plötzlich nicht mehr aufschieben.
Nebenan schien Cyprian nicht minder erstaunt als sie selbst. «Warum bist du überhaupt schon hier, Bruder?», stammelte er.
«Das will ich dir sagen. Weil ich vermute, dass uns jemand auf der Spur ist. Hast du jemanden gesehen oder irgendwelche verdächtigen Geräusche gehört?»
«Nein, ich
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