Das Aschenkreuz
entfernt stand, und umging es in einem großen Bogen. Ihr war bewusst, dass sie nun auch noch gegen die Auflage der Heimlichen Räte verstieß, indem sie die Gemarkung der Stadt Freiburg verließ.
Ein herrenloses hellbraunes Hündchen schoss plötzlich auf sie zu und begrüßte sie freudig.
«Was bist denn du für einer?», murmelte sie und streichelte das flauschige Fell. Der Hund leckte ihre Hand. «Jetzt geh zurück, wo du herkommst. Ich kann dich leider nicht brauchen, bei dem, was ich vorhabe.»
Doch das Tier heftete sich ihr für den Rest des Weges an die Fersen. Da beschloss Serafina, es als gutes Zeichen zu nehmen. So war sie wenigstens nicht allein auf Feld und Flur. Als sie jetzt in das Kappeler Seitental einbog, glaubte sie, ein Stück weit hinter sich einen Schatten ins Gehölz huschen zu sehen. Auch das Hündchen hatte es bemerkt und zu knurren begonnen. Gewiss nur ein aufgescheuchtes Reh, versuchte sie sich zu beruhigen, und fast war sie froh, als sie kurz darauf den Hügel mit der Kapelle erreichte.
Sankt Peter und Paul lag noch still und einsam im Morgenschatten. Zwischen den Gräbern des Kirchhofs stieg sie den Hügel hinauf bis auf Höhe des Chors. Dort nahm sie ihre Rückentrage ab, verbarg sich hinter einem hohen Grabstein und lauschte in Richtung Bruderhäuslein, das sich einen guten Steinwurf entfernt von der Tür zur Sakristei befand. Auch von dort war nichts zu hören, Tür und Fensterladen waren zugezogen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie so leise als möglich zum Portal des Kirchleins schlich. Es war verschlossen. Damit hatte sie nicht gerechnet, kannte sie es doch aus ihrer Heimat am Bodensee, dass die Kapellen draußen auf dem Land jedem Gläubigen offen standen. Zur Sakristei brauchte sie gar nicht erst gehen, sie war nach außen hin mit Sicherheit versperrt, der heiligen Gerätschaften wegen. Nun gut, dann würde sie mit ihren Erkundigungen bei der Einsiedlerhütte beginnen. Dort war nämlich eine Art Schuppen oder Stall angebaut, damit sich die Eremiten, wie in vielen Einsiedeleien üblich, mit einer Milchziege versorgen konnten. Es war ohnehin wahrscheinlicher, dass sie das, wonach sie suchte, im Bruderhäuslein finden würde.
Im Schutz des Gehölzes, den kleinen Hund noch immer dicht am Rocksaum, näherte sie sich dem einfachen Holzbau vom Waldrand her, der wie eine dunkle Wand in den Morgenhimmel ragte. Bei jedem Knacken unter ihren Füßen hielt sie erschrocken inne, denn sie konnte davon ausgehen, dass jetzt, bei Tagesanbruch, Bruder Cyprian ebenso auf den Beinen war wie sie selbst.
Als sie bis auf wenige Schritte heran war, den Wald immer noch im Rücken, blieb sie erneut stehen, um zu lauschen. Eigentlich müsste sie Cyprian, wenn er ein gottesfürchtiger Mann war, beten hören, zumal sein Empfang der freitäglichen Stigmata, auf welch betrügerische Art auch immer sie auf ihn niederkommen mochten, kurz bevorstand. Doch was sie stattdessen hörte, waren ganz andere Laute, die sie zunächst nicht einschätzen konnte.
Wollen mal sehen, was du so treibst, Bruder Cyprian, dachte sie und gab sich einen Ruck. Von dort, wo sie stand, blickte sie auf die Rückwand der Hütte, während die Eingangstür auf der gegenüberliegenden Seite zur Kapelle hin lag. In diese Rückwand war auf Brusthöhe eine kleine Luke eingelassen, die nur angelehnt war und wohl früher als Almosenklappe gedient hatte. Die schmale Tür zum Schuppen befand sich ebenfalls auf dieser Seite. Serafina kniff die Augen zusammen. Das Türchen war zwar mit einem Schieberiegel versehen, jedoch gänzlich ungesichert.
Das erleichterte die Sache ungemein. Zwar trug sie in ihrer Rocktasche eine kräftige Zange, die sie für alle Fälle aus der Werkzeugkiste entwendet hatte und mit der sich einfache Vorhängeschlösser aufbiegen ließen, doch wäre das nicht ohne Geräusch vor sich gegangen.
Sie durfte nicht länger zögern. Bald würden die Mönche mit den Ministranten eintreffen und dann die ersten Kirchgänger. Beherzt trat sie aus dem Schatten des Gebüsches und näherte sich auf Zehenspitzen der Hütte. Plötzlich erkannte sie, was da durch die Luke nach außen drang: Jemand schmatzte ungehemmt vor sich hin!
Sie beugte sich zu der Luke hinunter und spähte hinein. Es brauchte einen Augenblick, bis sie im Halbdunkel der Hütte etwas ausmachen konnte. Eine hagere Gestalt, deren verfilztes Langhaar unschwer Bruder Cyprian erkennen ließ, kauerte an einem klobigen kleinen Tisch und verschlang genüsslich
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