Das Aschenkreuz
ganz hinein.»
Serafina gehorchte, und der Schmerz ließ nach kurzer Zeit spürbar nach.
«Ich habe von Eurer Feuersbrunst gehört.» Achaz deutete auf den Stall. «Da war Fortuna Euch ja noch einmal gnädig gewesen.»
«In dieser Stadt scheint wirklich nichts verborgen zu bleiben», erwiderte sie spöttisch. Sie wollte ihre Hand aus dem Wasser ziehen, doch Achaz drückte sie wieder hinein.
«Schön drinlassen. Sonst sieht Euer Daumen aus wie ein Elefantenbein.»
In diesem Augenblick trat die Meisterin auf sie zu.
«Der Herr Medicus! Was für eine Überraschung. Was führt Euch zu uns?»
«Verzeiht, dass ich einfach hereingeschneit bin. Aber das Hoftor stand offen. Immerhin scheine ich gerade rechtzeitig gekommen zu sein, um Schwester Serafina ärztlichen Beistand zu leisten.»
Serafina verzog das Gesicht. «Hättet Ihr mich nicht bei der Arbeit gestört, wär das alles gar nicht erst passiert.»
«Du hast dich verletzt?», fragte Catharina besorgt.
«Halb so schlimm.»
Achaz lächelte verlegen. «Es tut mir aufrichtig leid. Aber vielleicht kann ich es mit meiner Nachricht wiedergutmachen.»
«Ihr habt eine Nachricht für uns?», fragte die Meisterin erstaunt.
«Zwei, genau genommen. Die erste lautet: Die Exhumierung von Hannes Pfefferkorns Leichnam ist freigegeben. Am Sonnabend wird er feierlich auf dem Münsterfriedhof beigesetzt, und die Pfefferkornin bittet Euch alle, daran teilzunehmen.»
«Dem Allmächtigen sei’s gedankt», rief Catharina aus und strahlte über das ganze Gesicht. Auch Serafina spürte, wie ihr vor Erleichterung warm ums Herz wurde. Nun durfte endlich Friede in diese Familie einkehren.
«Und die zweite Nachricht?», fragte Catharina.
«Dazu würde ich Euch gern allein sprechen. Hier im Hof sind mir zu viele Ohren.»
«Dann kommt mit mir ins Haus.»
«Gern. Es dauert auch nicht lange. Und Ihr», wandte er sich an Serafina, «lasst die Hand noch im Wasser. Ich schaue mir den Daumen hernach noch einmal an.»
Serafinas Freude wich Verärgerung. Wie ein Kleinkind ließ er sie hier stehen. Und dann dieses geheimnisvolle Getue! Erst von guten Nachrichten sprechen und dann mit der Meisterin von dannen ziehen.
Mit einem Ruck nahm sie ihre Hand aus dem Wasser und trocknete sie am Rocksaum ab. Was brauchte sie schon die Ratschläge dieses studierten Bücherwurms.
Als sie zum Ziegenstall zurückkehrte, schüttelte Pongratz abwehrend den Kopf. «Mit
der
Hand könnt Ihr nicht weiterarbeiten. Wir kommen ohnehin schneller voran als gedacht. – Tut es noch sehr weh?»
«Es geht schon, keine Sorge.»
Sie betrachtete ihren Daumen. Er war fürwahr dick geworden und feuerrot dazu, der Nagel inzwischen schwarz. Half da nicht Arnika? Sie hatte erst neulich nach Gislas Angaben eine Tinktur daraus hergestellt.
Rasch eilte sie ins Haus. Als sie auf dem Weg zur Küche am Refektorium vorbeikam, hörte sie hinter der verschlossenen Tür Catharinas Stimme. Es fiel ihr schwer, ihre Neugier zu zügeln und nicht zu lauschen. Nur einen Satz hörte sie: «Ich muss das dem Bürgermeister melden», dann war sie auch schon an der Tür vorbei.
In der Küche suchte sie sich sauberes, dünnes Leinen, holte das Fläschchen mit Arnika aus der Vorratskammer und tränkte damit das Tuch. Nur leider wollte es ihr auch nach dem dritten Versuch nicht gelingen, mit der linken Hand einen ordentlichen Verband um den schmerzenden Daumen zu wickeln.
«So ein Bockmist!», entfuhr es ihr.
«Kann ich Euch helfen?»
Achaz und die Meisterin waren hinter ihr in die Küche getreten, und der Medicus schien Mühe zu haben, ernst zu bleiben ob ihrer unbeholfenen Verrenkungen.
Dagegen war Catharina sichtlich erschrocken. «Ach du liebe Güte, der ist ja ganz dick!»
«Ich sag’s ja.» Achaz nahm vorsichtig ihre Hand in seine und untersuchte sie von allen Seiten. «Ihr hättet den Daumen viel länger im Wasser halten sollen.»
Wieder fiel Serafina auf, welch schöne Hände er hatte. Angenehm kühl obendrein. Wo hatte sie das schon einmal bemerkt? In Konstanz?
Er ließ sie los. «Da hilft eigentlich nur noch Arnika. Habt Ihr welches im Haus?»
Triumphierend hielt sie ihm das Fläschchen unter die Nase.
«Arnika?», fragte er.
«Arnika.»
«Gute Wahl, Schwester Serafina.» Er riss das Leinen in zwei schmalere Streifen. Den ersten faltete er zu einer Kompresse, tränkte sie mit der Tinktur und bedeckte damit Serafinas Daumen; mit dem zweiten Streifen legte er fachmännisch einen Verband an.
«Fertig. In zwei, drei Tagen
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