Das Auge Aldurs 3 - Der Riva Kodes
Unterstützung durch das Reich (hauptsächlich die Aufhebung von Beschränkungen für cherekische Freibeuter und algarische Räuber und der Marsch einer Heeressäule von zehn Legionen aus Tol Vordue nach Norden in Richtung asturischer Grenze), verpflichteten sich die Mimbrater, eine eingeschränkte Oberhoheit des tolnedrischen Kaisers anzuerkennen. Diese Gelegenheit ergab sich zu einem Zeitpunkt, als der ständige Krieg in Arendien sich zu einem Hindernis für den Bau der Großen Weststraße und einer ernsthaften Störung des normalen Handelsablaufs entwickelte.
Der in vier Spitzen vorgetragene Angriff schwächte die Verteidigungsbereitschaft der Asturier so sehr, daß ihr Nachschub an Kämpfern verebbte, die Nation zusammenfiel und zu der nutzlosesten (und für Arender typischen) Verteidigung Zuflucht nahm – dem Rückzug in Zwingburgen. Die Einzelheiten sind düster und müssen hier nicht wiederholt werden. Der Ausgang stand von vornherein fest. Vo Astur wurde dem Erdboden gleichgemacht. Der letzte Herzog von Asturien fiel in der Schlacht, seine Familie wurde fast vollständig ausgerottet. Es war jedoch ein geschwächter mimbratischer Herzog, der zum ersten unangefochtenen König Arendiens gekrönt wurde, und der tolnedrische Plan für den Westen ging restlos auf. Arendien stellte keine Bedrohung mehr dar.
Obwohl ein mimbratischer König auf dem Thron in Vo Mimbre saß, war er doch in vielerlei Hinsicht ein Marionettenkönig – wenn auch ein gefährlicher. Das elementarste aller Souveränitätsrechte – die Beziehungen zu anderen Nationen selbst zu bestimmen – wurde durch die Bestimmungen des Vertrags von Tol Vordue ernsthaft beschnitten. Die arendischen Kaufleute waren im Hinblick darauf, welche Handelsgüter und Waren sie importieren und exportieren durften, stark eingeschränkt, und Tolnedra profitierte immens von diesem Abkommen.
Die Könige von Vo Mimbre hingegen hatten andere Probleme, die ihnen keine Zeit ließen, sich über etwaige Ungerechtigkeiten in ihrem Vertrag mit Tolnedra den Kopf zu zerbrechen. Obgleich die Städte und Burgen der Asturier zerstört worden waren, blieben der asturische Adel und das asturische Freisassentum intakt – wenn auch arg dezimiert. Die Edelleute zogen sich in die unermeßlichen Weiten des arendischen Waldes zurück, begleitet von der ihnen in unverbrüchlicher Treue ergebenen Landbevölkerung. Was nicht mitgenommen werden konnte, wurde verbrannt. So übernahm der mimbratische König eine rauchende Wüste, öde und menschenleer. Die Lehen, die er seinen treuen Gefolgsleuten zuerkannte, waren mehr Strafe als Lohn, da Land ohne die Menschen, die es bestellen, eine Bürde ist. Ganze Dörfer im Herzogtum Mimbre wurden entwurzelt und in den Norden verpflanzt, um die Ländereien ihrer adligen Herren zu bearbeiten. Ihre Mühen waren jedoch größtenteils vergeblich, da des Nachts asturische Räuber aus den Wäldern herbeigeschlichen kamen und mit großer Begeisterung Ernte und Dörfer verbrannten. Zudem mußte man feststellen, daß asturische Bogenschützen ihr Geschick mit Vorliebe an mimbratischen Bauern erprobten. Dies bewog die Bauern naturgemäß, die Ränder der an den Wald grenzenden Felder zu meiden. Mit der Zeit entwickelte dieses grausame Spiel bei den asturischen Bogenschützen eine hohe Treffsicherheit auf geradezu unglaubliche Entfernungen.
Die Aktivitäten der asturischen Vogelfreien lieferten dem Kaiser in Tol Honeth den Vorwand, das Königreich Sendarien im Norden zu gründen, was den arendischen König eines guten Drittels seines Territoriums beraubte. Wie der Kaiser erklärte: »Sendarien wird die Tür nach Norden für diese Geächteten schließen. Ihr könnt sie nun zur Strecke bringen, ohne Angst haben zu müssen, daß sie nach Norden entkommen.« Der König der Arender nahm diese Erklärung mit finsterer Miene entgegen, da das ›zur-Strecke-Bringen‹ gut bewaffneter Männer in einem Wald, der sich dreihundert Leagues in alle Richtungen erstreckt, etwa so ist, als wollte man einen bestimmten Fisch im Meer fangen.
Ungefähr tausend Jahre lang rüsteten die arendischen Ritter indes Strafexpeditionen gegen die Räuber im Norden aus. Der riesige, düstere Wald verschluckte ganze Generationen, und alte Männer wachten in späteren Jahren des Nachts schreiend auf, wenn sie von den Schrecken träumten, denen sie auf den Kriegszügen ihrer Jugend begegnet waren. Der Wald wurde zu einem Labyrinth aus Höhlen, unterirdischen Gängen und Verstecken. Fallgruben
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