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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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diesem Gedanken. Weil sie sich in ihn verliebt hatte. Denn das war das Einzige, was er in ihrem Verhalten klar erkennen konnte. Es erleichterte Ellen, dass das Gift seine Wirkung verfehlt hatte. Sie litt mit ihm, ihre Sorge, der Vorfall könnte sich wiederholen, überstieg sogar seine eigene. Sein widerlicher Verdacht erfüllte ihn mit Scham. Er verdrängte es und konzentrierte sich auf Conleys Papiere . Von welchen Sternen sprach er? Conley bezog sich lediglich einmal, was die erwähnten Sterne anging, auf ein Ornament auf der Rückseite der Dolchklinge. Und dass sie auf der handgezeichneten Geländekarte ihre Entsprechung fanden. Diese wies neun Markierungen auf. Leonard verglich sie mit einer aktuellen Karte des Pagodenfeldes von Bagan. Die Abbildungen des Flusslaufes ähnelten sich. Der Irrawaddy. Die Karte bildete ein Drittel aller Heiligtümer ab. Sie beschränkte sich auf die größten und die aus anderen Gründen bedeutendsten. Doch selbst diese Ansammlung erzeugte schon ein irrsinniges Durcheinander. Unmöglich, ohne eine Reverenz, eine Vergleichsgröße das Muster von Conleys Geländekarte darin wiederzufinden.
„Mister Ryland!“
Vor der Veranda wartete der Landrover. Aus dem Seitenfenster reckte sich Kaihs Gesicht.
„Miss Sandler bat mich, Sie ins Museum zu bringen. Sie sind dort soweit.“
Leonard hatte ihn nicht kommen hören. Einmal mehr bewunderte er das sanfte Wesen der Asiaten, ihr Bemühen, sich möglichst unauffällig durch das Leben zu bewegen. Den Burmesen, Meister dieses Faches, gelang es sogar, sich mit einem Motorfahrzeug anzuschleichen.
    Das Museum lag drei Meilen entfernt in der Ortschaft Bagan. Der Weg dorthin führte über eine frisch geteerte Straße, von den dichten Kronen knorriger Bäume beschattet. Nur zwei motorisierte Gefährte begegneten ihnen. Ein rostiges LKW-Ungetüm, dem die Motorhaube fehlte, und aus dessen offenem Kühler kochendes Wasser herausblubberte. Und ein Minibus, bunt lackiert, als stamme er von einem Kirmeskarussell. Abgesehen davon rumpelten nur Pferdekutschen und Ochsenkarren dahin. Alles hier war aus der Zeit gefallen, dachte Leonard. In Singapur bereiteten sie den Bau einer U-Bahn vor, um den Herzschlag der Metropole zu erhöhen. Wie mochte hier, keine vier Flugstunden entfernt, ein Leben verlaufen, dessen Tempo von zwei Ochsen vorgegeben wurde?
    Vor dem Museum begrüßte er Ellen, herzlicher als sonst. Sein schlechtes Gewissen befahl ihm diese Form der Wiedergutmachung. Ungebrochen strahlte sie in der Freude über die Entdeckung. Nini, die vor dem Museum im Schatten eines Baumes ruhte, betrachtete ihn griesgrämig, wie sie sich ihm anfangs gezeigt hatte. Das Innenleben dieses Mädchens blieb ihm unergründlich. Ihren Ärger ahnte er nicht. Sie hatte für ihren ersten Versuch das gesamte Gift verbraucht, das ihr die Hexe Dao Dai verkauft hatte.
Dieses dumme Weib sagte, die Menge reiche für einen Wasserbüffel. Trotzdem lebte der verhasste Weiße noch. Sie grübelte, wie sie die ihr zugedachte Aufgabe nun erfüllen sollte. Vielleicht mit einem Messer, heute Nacht, wenn er schlief.
    B eim Genesungswunsch hatte Ruud seine vorübergehende Sympathie verbraucht und verbarrikadierte sich wieder hinter Argwohn. Nur Namdring begegnete Leonard mit der gleichen erfrischenden Offenheit wie zuvor. Und wieder hüllte er sein ruhiges Wesen in Bescheidenheit. Die Kenntnisse des Museumsleiters erwiesen sich äußerst begrenzt. Allein Namdring verdankten sie die Übersetzung der Steintafel. Trotzdem verzichtete der Mönch darauf, das Ergebnis selbst bekannt zu geben. Im Gegensatz zu dieser wohltuenden Genügsamkeit schwoll die Brust des Museumsleiters.
„Die Stele gehört zu einer Sammlung von insgesamt drei Exemplaren. Die anderen beiden, so fürchte ich, sind verschollen.“
Einem Hang zur Theatralik folgend setzte er eine Pause.
„Aber wir haben herausgefunden, dass die erste der drei lediglich so eine Art Mantra wiedergibt, ein Gebet. Was die dritte angeht, sind wir auf Spekulationen angewiesen. Aber diese hier führt uns direkt an die Uranfänge der Pyu-Geschichte.“
Erneut wollte er die Spannung durch eine Kunstpause erhöhen, aber Ellen vermasselte ihm den Auftritt.
„Sie spricht von einem Tempel. Hier in Bagan. Und sie erwähnt einen Namen: Thian-o-Li. Bislang wurde angenommen, es handelt sich um eine Sagengestalt, eine mythische, keine reale Figur. Ähnlich denen der griechischen Sagen. Prometheus etwa, oder Herkules. Aber er hat gelebt. Er wird als der

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