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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Die Luft wurde stickiger, legte sich breiig auf die Atemwege. Mit der Stirn stieß er gegen die Decke, konnte kaum noch den Kopf heben. Die Schultern drückten gegen die Seitenwände. Der Gang verengte sich!
Verzweifelt kroch er vorwärts. Seit wann schon gab es keine Stufen mehr? Der Boden, rissig und spröde, zerrte an seiner Kleidung. Das Gesicht dicht am Grund atmete er den feinen Staub darauf ein. Es trocknete seinen Mund aus, die Kehle. Dann blieb er stecken. Mühsam hob er den Kopf, sah nach vorn. Dort blockierte ein Felsen den Gang. Eine Falle. Und sie hielt noch einen letzten, makabren Spott für jene bereit, die hineintappten. Vor dem Felsverschluss kauerte ein steinerner Dämon und grinste.
Zurück!, hämmerte es in ihm.
Wild schreiend zappelte er, scheuerte sich die Haut beider Hände auf. Doch er kam frei. Hinunter, bevor es zu spät war. Er rutschte abwärts, gepeitscht von nackter Angst. Überall stieß er an Stein, schlug sich Knochen und Schädel wund. Als der Gang wieder breiter wurde, mühte er sich, schneller voranzukommen. Da war wieder die Biegung. Runter, bei allen Göttern. Schon hörte er das Glucksen, das ihm entgegenschwappte. Es konnte nicht sein, dachte er, dem Wahnsinn nahe. Die Taschenlampe glitt ihm aus den wunden Fingern, polterte hinunter, begleitet von dem Klirren des Glases. Das Licht erstarb. Etwas durchnässte seine Füße wurden. Hier schon?, kreischte es in ihm.
Die Finsternis brachte ihn um den Verstand. Das Feuerzeug. Hastig fummelte er in der Innentasche seiner Jacke, holte das zwanzig Jahre alte US-Army-Zippo heraus. Auf verschlungenen Pfaden hatte es seinen Weg aus den Dschungeln Vietnams zu ihm nach Rangun gefunden und begleitete ihn seitdem. Brachte ihm bisher mehr Glück als vermutlich seinem ehemaligen Besitzer. Dieser Gedanke tröstete Kaih. Metallen klickerte der Verschluss, sein Daumen glitt über Zündring. Das treue Ding flammte auf.
Der Schlamm füllte den Gang komplett aus. Wie weit es noch bis zur Öffnung sein mochte, wusste er nicht. In der Halle konnte die Masse bereits so hoch stehen, dass er darin untergehen würde. Er musste es riskieren. Ätherisch waberte es über der zähen Flüssigkeit. Seltsam, dachte er noch. Dann vergrößerte sich die Flamme seines Feuerzeugs plötzlich, blähte auf. Fauchend verwandelte sich der glucksende Brei in ein grelles Inferno und entzündete Kaihs petroleumgetränkte Kleidung. Zappelnd rutschte er der brüllenden Hölle entgegen. Seine letzten, fürchterlichen Schreie hörte niemand mehr.

Kapitel 40
    Keine Panik! Das waren die einzigen Worte, die sein Verstand funkte, als Leonard in dem schwarzen Brei versank. Mit einem kräftigen Atemzug füllte er die Lungen und hoffte, Ellen würde es ihm gleichtun. Ihre Hände krampften sich in seine Schultern. Umschlossen von ätzendem Gestank rutschten sie gemeinsam weiter ab. Dann berührten seine Füße den Grund. Okay! Keine zwei Meter. Entweder es ging sofort wieder aufwärts oder seine Intuition schaufelte ihm jetzt das Grab. Mit den Zehen spürte er den spitzen Winkel im Boden. Das untere Ende des Ganges. Er zog Ellen zu sich heran und trat blind nach vorn. Stufen. Der Gang führte wieder nach oben. Im Zeitlupentempo stieg er an, gegen den Widerstand der dicken Flüssigkeit. Die Lungen fingen an zu schmerzen. Er ruderte mit den Armen, stieß seitlich an Metall. Ein Geländer. Er führte eine von Ellens Händen an die Stelle. Mithilfe des Geländers bewegten sie sich rascher aufwärts. Noch nicht atmen!, befahl er seinen Lungen. Sie bereiteten sich schon auf den unheilvollen Zug vor, während der letzte Sauerstoff in die Blutbahn gedrückt wurde. Im letzten Moment stieß sein Kopf durch die Oberfläche. Noch bevor seine Atmung ihre lebenswichtige Funktion wieder aufnahm, riss er Ellen nach oben und hörte, wie sie gierig die Lungen vollpumpte. Dann zog auch er die Luft ein. Ihr Husten und Spucken hallte in der pechschwarzen Unterwelt von den Wänden eines unsichtbaren Gewölbes wieder. Leonard tappte nach vorn, fühlte die Stufen weiter ansteigen.
„Ein größerer Raum.“
„Hoffentlich müssen wir hier nicht wieder ein Rätsel lösen und die richtige Treppe finden.“
Sie gab einen verwunderten Laut von sich.
„Was ist?“
„Diese bunten Lichter. Siehst du das auch?“
„Das ist eine optische Täuschung“, beruhigte er sie. „Bei absoluter Dunkelheit spielen die Augen verrückt.“
Der Druck ihrer Hände verringerte sich, ein Zeichen, dass sie sich

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