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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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das was?“
„Den Namen habe ich nie gehört“, entgegnete Sen. „Aber ich denke, es handelt sich um ein Eingeborenenvolk, Urwaldnomaden. Hier in Sarawak. Mir ist ein anderer bekannt, Oloh Ot. Sie sind längst ausgestorben. Danah Oth könnte also ein ihnen verwandter Stamm sein. Wer weiß? Vielleicht streifen dort draußen noch einige herum, die noch nie jemand zu Gesicht bekommen hat.“
„Orang bunian“, sagte Nini.
„Orang ... was?“, hakte Leonard nach.
Mit unfassbarer Geschwindigkeit saugte sie Teile der malaiischen Mythenwelt auf. Wohl auch, weil sie der ihrer burmesischen Heimat ähnelte.
„Interessant“, meinte Sen. Auch ihn erstaunte Ninis okkultes Talent. „Hier in Malaysia gibt es eine Sage von einem Volk, das in den Wäldern lebt und für die Außenwelt unsichtbar ist. Betritt man ihr Reich, geschieht das gleiche mit einem selbst. Man verschwindet einfach.“
„Orang bunian “ , bestätigte Nini mit kindlichem Stolz.
Wieder berührte sie ihn in der Tiefe, schlug eine Brücke. Denn er erkannte, wie sich zwei Fragmente auf unglaubliche Weise miteinander verbanden.
„Die Bannpfähle. Ellen sagte, man habe welche gefunden, die sich keiner Volksgruppe zuordnen lassen. Vielleicht stammen sie von diesen Danah Oth.“
Er zeigte Sen das alte Foto von Conleys verrotteter Hand.
„Haben Sie davon gehört?“
Zum ersten Mal formte sich ein Lächeln auf Sens Gesicht.
„Und ob. Es ist, glaube ich, zwei Jahre her. Ein Riesen-Theater. Es stand in allen Zeitungen. Die malaiische Regierung bezichtigte zwei deutsche Forscher des Diebstahls kulturellen Eigentums. Es ging um solche kera. Einer der beiden starb auf tragische Weise. Aber dem anderen gelang es, zu entkommen und die kera nach Deutschland zu schmuggeln.“
„Wo hat man diese Dinger gefunden?“
„Sie meinen doch nicht etwa ...?“
„Oh, doch. Genau das meine ich.“
Conley hatte einst den Pfad der Danah Oth gekreuzt. Dort würden sie sein Grab finden.
„Nini. Der Reiseführer.“
Sie holte ein abgewetztes Büchlein aus ihrer Tasche. Auf der Suche nach einer Informationsquelle über die Provinz Sarawak hatten sie nur diesen vier Jahre alten Fetzen gefunden. Das dünne Buch enthielt eine minimalistische Karte, wie von Kinderhand gezeichnet. Sie reichte gerade zu einer groben Orientierung.
„Lassen Sie mal sehen“, sagte Sen. „Es war eine abgelegene Gegend. Nahe der indonesischen Grenze. Etwa vier oder fünf Tagesreisen südlich von ... wie hieß das nur?“
An einer Stelle der Karte wurde er fündig.
„Hier. Das war es. Der eine Deutsche, derjenige, der umkam, hat es nur bis dahin geschafft. Mit drei Giftpfeilen im Leib. Ganz sicher war es dieser Ort. Sungai Petani.“
In den folgenden zwei Tagen brüllte ein Unwetter das gesamte Leben in Kuching nieder und hielt sie in der Stadt fest. Als es sich verzog, brauchten sie weitere drei Tage, um die heruntergekommene Siedlung am Batang-Fluss zu erreichen. In Sungai Petani konnten sie auf paranoide Vorsichtsmaßnahmen wie in Kuching verzichten. In diesem Nest, in dem es nicht mal ein Telefon gab, lebten vielleicht hundert Menschen. Hier wusste jeder, was der andere tat.
Wie in der Hauptstadt zwang sie das Wetter erneut, untätig herumzusitzen. Inständig hoffte Leonard, dass sich die Lage bald änderte. Sie tat es, aber damit vergrößerten sich die Probleme.
„War die Miss schon da?“
Bang Tua, der Besitzer des schmuddeligen Gasthauses, stellte eine Flasche Bier auf den Tisch.
„Ist oben auf dem Zimmer“, brummelte Leonard.
Das Regenwasser klatschte als dichter Vorhang vom Verandadach auf den ungeteerten Vorplatz. Seit vier Tagen ergab Leonard sich bereits nachmittags dem Alkohol. Vier lange Tage, in denen sich seine Welt auf die Veranda vor dem Eingang beschränkte und das Zimmer, das er sich mit Nini teilte. In denen ihnen die Pausen zwischen den Wolkenbrüchen gerade gestatteten, Einkäufe zu erledigen. Oder in eines der simplen rumah makan zu sprinten, um eintönige Mahlzeiten zu sich zu nehmen.
„Nein, nein. Nicht Ihre Frau“, erwiderte Bang Tua. „Ich meine Miss Nemsky.“
Vom Getrommel der fetten Regentropfen auf den Wellblechdächern betäubt reagierte Leonard verzögert.
„Miss Nemsky? Wer soll das sein? Ich kenne keine Miss Nemsky.“
„Oh“, machte der Malaie. „Sie ist gestern Abend angekommen. Amerikanerin. Turis. Wenig Geld. Wohnt drüben beim Chinesen.“
Das Wort Chinese versah er mit der gleichen, unterschwelligen Abscheu, wie die Chinesen

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