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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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Kette von Bergen. Allerdings ...“
Es gab immer ein allerdings . Daran inzwischen gewohnt wartete Leonard geduldig.
„Diese Berge liegen drüben. In Kalimantan. Indonesien.“
„Ist die Grenze ein Problem? Ist sie bewacht oder so was?“
„Das Problem besteht darin, dass sie eben nicht bewacht ist. Hinter der Grenze gibt es überhaupt nichts. Keine Posten, schon gar keine Siedlung. Dort ist nur noch Dschungel.“
„Verstehe. Ohne Karte dürfte das ziemlich schwierig werden.“
Manao wechselte ein paar Worte mit dem Dayak-Oberhaupt.
„Einer seiner Leute wird uns hinführen. Aber nur in die Nähe. Den Weg, der in das Gebiet der Unsichtbaren führt, könne man an dem anek atao erkennen.“
„Dachte mir schon, dass das irgendwie von Belang ist. Was ist anek atao ? Einer der Gipfel?“
„Nein. Es ist ein kramat. “
„Heilige Orte“, ergänzte Nini wie selbstverständlich.
„Heilige Orte, kramats sind Wohnsitze von Geistern. Meistens sind es ungewöhnlich geformte Felsen oder Bäume, Höhlen oder bestimmte Stellen im Fluss. Der tuai sagt, man darf den kramat nicht passieren. Jeder, der daran vorbeigeht, ist für die Lebenden verloren.“
Die gleichen, abschreckenden Legenden, die Leonard über den Thammuyiangi-Tempel gehört hatte. Hier gab man sich ebenfalls Mühe, die Menschen von einem bestimmten Ort fernzuhalten. Er öffnete seinen Rucksack und entfernte die Plastikhülle, die Conleys Notizen vor der Feuchtigkeit schützten. Dann reichte er Manao die alte Fotografie, die den dürren Arm und die Holzpfähle zeigte, die Schutz vor den Geistern des Waldes gewähren sollten.
„Die Dinger da im Hintergrund. Frag ihn, ob er das schon mal gesehen hat.“
Die Reaktion kam völlig unerwartet. Erschrocken schnaubte der alte Dayak und die Fotografie wirbelte aus seinen Fingern, als hätte er sich daran verbrannt. Dann sprangen die drei Männer auf. In deutlich schärferen Tonfall stieß der tuai seine Sätze aus.
„Wir hätten das nicht tun sollen.“
Vorsichtig erhob sich Manao und wies Leonard und Nini mit fahrigen Gesten an, ebenfalls aufzustehen.
„Was ist?“
„Später. Packt euren Kram. Schnell. Wir verschwinden.“
Auf einen Schlag verstummte das Schwätzen der Dorfbewohner, das Lärmen der Kinder wie auf ein Kommando. Alles hielt gebannt inne. In den Minuten, die sie für das Zusammensuchen ihres Gepäcks brauchten, blieb das gesamte Dorf schweigend auf Distanz. Weder mit Wort noch mit Geste wurden sie verabschiedet, als sie das flache Flussbett überquerten. Bevor sie in das Dickicht am gegenüberliegenden Ufer eintauchten, sah Leonard sich noch einmal um. Dreihundert starre Gestalten, regungslose Gesichter, ein Heer dunkelhäutiger Gespenster.
„Was geht da vor sich?“
„Sie haben keine klare Vorstellung davon, was eine Fotografie ist. Das Bild eines Gegenstandes zu besitzen, bedeutet für sie das gleiche, wie den Gegenstand selbst zu besitzen. Und diese Dinger repräsentieren das Böse.“
„Ich dachte, sie sollen das Böse fernhalten.“
„Offenbar nicht. Es scheint, als riefen sie es herbei. Auf jeden Fall hat ihnen das eine Mordsangst eingejagt. Sie wollen nichts mehr mit uns zu tun haben.“
Zu welchem Zweck schnitzte man Totems, die das Gute fernhalten sollten?
„Und er?“, fragte Leonard und wies auf den schweigsamen Eingeborenen, der ihnen vorausging.
„Er hat Pech gehabt. Der tuai hat uns einen Führer zugesagt. Und der arme Kerl da muss jetzt das Wort seines Anführers einhalten. Er kommt um vor Angst. Wir müssen aufpassen, sonst haut er uns bei der ersten Gelegenheit ab.“
Das Fassungslose, das diese plötzliche Wendung ausgelöst hatte, drückte schwerer hernieder als die von Feuchtigkeit geschwängerte Luft. Stumm trotteten sie über einen schlammigen Pfad. Nach Stunden mühevollen Stapfens im Matsch erreichten sie eine Abzweigung. Ein breiterer Pfad führte eine Anhöhe hinauf. Jemand hatte ein rotes Dreieck in Augenhöhe auf einen Baumstamm gepinselt.
„Da oben befindet sich die Wildhüter-Station“, erläuterte Manao.
Sie befanden sich noch im malaiischen Teil Borneos. Wo die Grenze zu Indonesien verlief, konnte Leonard nur ahnen. Den Dschungelbewohnern war ihre Existenz nicht einmal bekannt. Frei bewegten sie sich innerhalb ihres Siedlungsgebietes, das sich zu beiden Seiten erstreckte. Ihr Stammland, ihre Mutter, schon lange, bevor fremde Nationen über diese riesige Insel hergefallen waren und sie zerschnitten hatten.
Die Grenze, die sie bald

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