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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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soweit ich weiß. Ihre Vorfahren sind irgendwelche Küstenpiraten.“
Laut lachte er auf.
„Finden Sie in dieser Stadt mal bezahlbares Personal. Mein ganzer Haufen besteht aus Halbwilden.“
Seine Bemerkung erweckte den Verdacht, er würde seine Frau auch zu den Halbwilden zählen. Wieder wandte sich Mahangir Leonard zu.
„Äußerst interessant. Wo haben Sie das gesehen? Ich hörte, Sie sind zum ersten Mal in Asien.“
Woher wusste dieser Mann das? Leonard ging sein dauerhaftes, ins Gesicht gebrannte Lächeln auf die Nerven. Es besaß einen hinterhältig maskenhaften Zug. Damit wird er auch dann noch Vertrauen suggerieren, wenn er dir vergifteten Wein serviert, dachte er.
„Keine Ahnung. Hab´s vergessen.“
Wie sollte er auch erklären, dass ihm diese Zeichnung an der Hand einer verrückten, alten Frau aufgefallen war. Die womöglich nur in seiner Phantasie existierte. Und dann tauchte ein Detail aus seiner Wahnvorstellung an einer lebenden Person wieder auf. Eine schrumpelige Hand schob sich in sein Gesichtsfeld. Mrs. Runciman servierte ihm einen neuen Teller Suppe.
„Bitte entschuldigen Sie vielmals.“
„Es war meine Schuld“, wiegelte Leonard ab. „Bin manchmal zu tolpatschig. Ich hab ihr aus Versehen den Teller aus der Hand geschlagen.“
Mrs. Runciman quälte einen mokanten Zug hinter ihrer Fassade hervor. Die Absicht, die Leonard mit seiner Lüge verfolgte, erkannte sie sofort. Das Mädchen, so fürchtete er, müsste für seine Ungeschicklichkeit noch weitere Strafen erdulden. Ohne weiteres Wort setzte Mrs. Runciman sich wieder auf ihren Platz und versank in ihre vorherige, büstenhafte Starre.
„Das hier ist höchst bemerkenswert.“
Mister Mahangirs erhobene Stimme zog die Aufmerksamkeit der Tischgäste auf sich und Runciman lehnte sich zu ihm herüber.
„Hier, das Zeichen rechts unten. Darunter befindet sich noch ein anderes.“
„Vielleicht eine Unsauberkeit.“
„Sehen Sie genau hin. Die Oberfläche ist nur leicht eingeritzt. Sie müssen es gegen das Licht halten. Es ist nur eine vereinfachte Wiedergabe, aber dennoch eindeutig. Erkennen Sie es?“
„Mein Gott, Sie haben recht! Aber wie ist das möglich?“, rief Runciman aus. „Das ist das Zeichen des empu Gandring!“
    Leonard vollführte eine Geste, mit der er Unverständnis
signalisierte. Runciman sprang auf. Das Diner war vergessen.
„Kommen Sie. Ich muss Ihnen was zeigen.“
Unverzüglich wechselten sie in den angrenzenden Raum. Eingerichtet wie ein alt-englischer Rauchsalon zeugte er von mehr Geschmack als der Rest des Hauses. Die Möbel im viktorianischen Stil harmonierten mit schweren Teppichen und Gobelins. Eine Wand verzierten die Objekte von Runcimans Sammelleidenschaft. Über zwanzig kunstvoll gearbeitete Dolche reihten sich nebeneinander. Von einem einfachen, dreihundert Jahre alten Stück bis zu einem, dessen goldglänzender Griff alleine um tausend Pfund wert sein dürfte. Die Jagd nach solchen Kris genannten Waffen verband ihn mit Mister Mahangir. Auch der Malaie nannte eine stattliche Anzahl sein Eigen. Die blasierte Art, mit der Runciman seine Stücke präsentierte, zeigte, dass er im Rennen um die wertvollere Sammlung vorne lag.
„Was hat das Ganze mit diesen Messern zu tun?“
Gönnerhaft schenkten ihm Runciman und Mahangir ihre Nachsicht. Als hätte Leonard gerade darauf bestanden, dass der Weihnachtsmann existierte. Umsichtig wie ein Vater, der ein Kind im Arm hielt, löste Runciman einen der Dolche aus der Halterung. In der mattgrauen, gewellten Klinge schimmerten silbrig haarfeine Linien.
„Ein Kris“, sagte er ehrfurchtsvoll, „ist kein Messer. Er ist einzigartig. Sehen Sie sich die Klinge an. Ihre Fertigung hat drei Jahre gedauert.“
Der Reedereibesitzer erging sich in einer ausführlichen Erklärung.
„Diese Klinge wurde aus über Hundert Lagen Eisen und Nickel hergestellt. Die Erze stammen von neun verschiedenen Inseln. Diese feinen, silbrigen Linien hier werden beim Schmieden erzeugt.“
Der Schmied, so erfuhr Leonard, ätzte das Metall mit Arsenik-Tinktur. Dieser Prozess schwärzte das Eisen. Die darin enthaltenen Nickelspuren traten dabei silbern hervor. In Runcimans Stimme erhob sich eine Prise zu viel Pathos.
„Erst nach dieser Behandlung werden sie sichtbar. Das ist die hohe Kunst. Denn diese Muster entstehen nicht zufällig. Es gibt Klingen, in denen auf diese Weise Schriftzüge eingefügt sind.“
„Im Grunde ist ein Kris keine Waffe“, ergänzte Mahangir. „Er ist ein

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