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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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sich entfernender Sterne. In dem Gewimmel der Lichter machte sie die Marina Bay aus. Dort unten gingen sie jetzt in schicke Restaurants, Bars, Kinos. Sie liebte das Singapurer Nachtleben. Vorbei. Fürs Erste. Irgendwo zwischen den hohen Gebäuden musste auch er stehen. Der Chan Khuo Tower. Dieser widerliche Gnom. Bei dem Gedanken an seine Berührung, seine unter ihren Rock gerutschten Schweinsaugen schüttelte sie sich. Aber das war es wert gewesen. Jetzt saß sie in der Business Class, freute sich auf Champagner und eine ausgiebige Mahlzeit. Ein Koffer voll Geld wartete auf sie. Eine halbe Million. Damit konnte man es überall aushalten.
    Das Geld lag im Kofferraum eines gemieteten BMW. Eine erheblich kleinere Summe, als sie vermutete. Und selbst das war nicht für sie bestimmt, sondern für die beiden Männer, die sich bereits auf dem Weg zum Flughafen von Metro-Manila befanden. Der eine, in einem dunklen Anzug, würde sich als ihr Chauffeur vorstellen. Den zweiten sollte sie erst bemerken, wenn seine Schlinge in ihre Gurgel schnitt.
    „Sie tun dir unrecht, mein Guter“, schnurrte Chan. Er genoss die beruhigende Wirkung des glitzernden Wassers jenseits der Hafenanlagen. Die Fensterfront auf der Westseite seiner Loft erlaubte einen weiten Blick über die Singapore Straits. Der, reichte das menschliche Auge so weit, auf die Insel Sumatra stoßen würde.
„Wie meint Ihr, ehrenwerter Herr?“, fragte Meister Sen.
„Der Vollmond, alter Mann“, antwortete Chan. Er war milde gestimmt, durch eine frische Morphium-Injektion, mehr noch durch den nahen Triumph.
„Diese unwissenden Würmer da unten verdammen ihn als unheilbringend. Er soll das Böse hervorlocken.“
Das Bild des Flugzeuges, das bald in Manila landen würde, verführte ihn zu einem Kichern.
„Na ja, vielleicht stimmt das hin und wieder. Oder was meint Ihr, alter Mann?“
„Wir sollten aufbrechen, Herr“, erwiderte Meister Sen.
Seine Nachforschungen waren erfolgreich verlaufen. Das gesuchte Haus befand sich in einer Gasse südlich der Pahang Street in Kampong Glam. Es wartete dort auf seinen Abriss. Als sich herausstellte, dass die zuständige Baufirma zu seinem Imperium gehörte, erstickte Chan beinahe an einem Lachanfall.
„Die Spiele der Götter sind unbegreiflich“, wimmerte er, sich die Tränen aus den Augen wischend. „Hätten wir nur wenig länger gebraucht, und alle Hoffnung wäre unter den Schaufeln meiner eigenen Bagger für immer verschüttet worden.“
Im Gang des Schicksals vermochte Meister Sen weniger ein unbegreifliches Spiel zu sehen, als ein dunkles, ein böses.
„Gut. Gehen wir“, sagte Chan und verabschiedete den strahlenden Mond.
    Nie hatte Leonard den Drang verspürt, in ein fremdes Haus einzusteigen, auch nicht in ein unbewohntes. Deshalb wusste er nicht, was er zu einem solchen Unternehmen brauchte. In der Annahme, ein abbruchreifes Haus leiste wenig Widerstand, besorgte er sich nur ein Brecheisen und eine Taschenlampe. Der Mond stieg auf, gleißend, als reflektiere er das Licht von zwei Sonnen. Selbst wenn stimmte, was der Barbier gesagt hatte, wenn Schreckliches im Dunkeln geschah; er konnte nicht bis morgen warten. Einem Schatten gleich glitt er in den Durchgang zur Verbotenen Straße . Das Mondlicht fiel schräg herunter und die Dachvorsprünge der Häuser teilten die Gasse der Länge nach in zwei Hälften. Die linke Seite in absolute Finsternis getaucht, die rechte von einem fahlgelben Schein übergossen. Der Mond verlieh dem rumah kuning damit einen Hauch seiner ehemaligen Farbe. Ein kärglicher Widerhall jener Fröhlichkeit, die das Haus einst umgeben hatte. Die Gasse lag still, die Häuser schwiegen. Vielleicht war es wie in Mister Mahangirs Geschichte über den Tempel in Tanjong Pagar. Und die Bewohner flohen auch hier für die Stunden, in denen sie das Böse am Werk glaubten. Er betrachtete das Haus, las noch einmal die Warnung. Betreten verboten. Einsturzgefahr.
Die Fronttür und sämtliche Fenster beider Stockwerke hatte man mit Brettern vernagelt. Er entschied sich für einen anderen Weg und schlug sich durch dornenbewehrtes Gestrüpp auf die Rückseite des Hauses. Dort lehnte ein wackeliger Anbau aus Holz an der Wand. Darüber glotzte ihn die schwarze Höhle eines offenen Fensters an. Jemand, der sich weniger um Geistergeschichten scherte, hatte diesen Zugang genutzt, um im Haus nach verwertbarem zu suchen. Einer, der nie wieder herausgekommen war?
Vorsichtig kletterte er auf den Anbau. Die Bretter

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