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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dekkard
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würde ihn auch im Dunkeln finden!
Er duckte sich neben den Durchlass. Die Wände fingen flackerndes Licht. Die scharrenden Geräusche näherten sich. Lange, zappelnde Schatten krabbelten in das dunkle Zimmer. Ein leiser Fluch erklang. Knisternd rollte eine brennende Kerze an ihm vorbei, stieß an die Gruft und blieb dort liegen. Ihr Schein holte die gelblichen Knochen der Toten aus dem Dunkel. Langsam schob sich ein Fuß in den Türrahmen, dann eine gebückte Gestalt in schattenhaften Umrissen. Ein weiterer Fluch folgte, lauter als der erste. Eine männliche Stimme! Und sie klang absolut nicht jenseitig. In der Türfüllung blieb der Mann stehen und glotzte mit offenem Mund auf das Skelett. Kein gewöhnlicher Dieb. Er trug einen Anzug. Auf die Identität des Mannes brauchte Leonard keinen Gedanken verschwenden. Der Grund, warum er in dem alten Haus herumstöberte, war leicht zu erraten.
Der Winkel war nicht optimal, trotzdem knallte der Griff des Revolvers präzise an die Stelle am Kinn des Mannes, an dem der Nerv verlief. Wie ein halb gefüllter Reissack knickte die Gestalt ein und sank auf die Dielen. Von draußen, von der Rückseite, hörte Leonard jemanden rufen. Es blieb ihm nur die Flucht über die Treppe. Eilig stopfte er alles wieder in das Fell und hastete vor, direkt in die blendenden Kegel von zwei Taschenlampen. Im Streulicht erkannte er zwei Männer, die am unteren Treppenabsatz standen. Beide legten ihre Revolver auf ihn an.
„Wen haben wir denn da?“, hörte er den einen sagen.
Ein Lichtkegel erfasste das Bündel in Leonards Hand.
„Und er hat wohl was, das ihm nicht gehört“, sagte der zweite höhnisch. „Brauchen wir nicht mal mehr zu suchen.“
„Zwei Fliegen mit einer Klappe“, tönte der andere wieder. „Das wird Mister Khuo ganz besonders freuen.“
„Komm runter, Arschloch! Aber langsam.“
Hinter sich hörte Leonard Schritte. Ein Weiterer war durch das rückwärtige Fenster eingestiegen. Leonard setzte seinen Fuß auf die morsche Stelle an der Oberkante des Treppenabsatzes. Dann schätzte er die Situation ab. Höchstens drei Meter bis unten. Es könnte funktionieren.
„Na, was ist? Das Laufen verlernt?“, drohte einer der beiden von unten herauf. Der Hahn seines Revolvers knackte und er streckte den Arm mit der Waffe aus.
„Es geht auch ohne deine Kniescheiben!“
Leonard wartete, bis der Dritte dicht hinter ihm war. Dann trat er heftig auf den Treppenabsatz. Das morsche Gebälk gab krachend nach. Der Querbalken, auf dem das Gewicht der Treppe lastete, zersplitterte in drei Teile. Auf der obersten Treppenstufe stehend sackte Leonard abwärts wie in einem Fahrstuhl, dessen Zugseile durchtrennt wurden. Die abstürzende Treppe riss einen Teil der Decke mit. Dem Mann hinter Leonard wurde dadurch der Boden unter einem Fuß weggezogen. Er verlor das Gleichgewicht und rauschte, die Augen aufgerissen, ebenfalls in die Tiefe.
    Dumpfes Gepolter dröhnte auf die Gasse, durchmischt mit dem hellen Krachen splitternden Holzes. Ihm folgte eine dichte Staubwolke, die durch die Tür nach außen quoll. Chan fuhr das Seitenfenster des Wagens hoch.
„Was veranstalten die Idioten da drinnen?“, fluchte er.
Für einen tödlichen Moment herrschte Stille. Sie wurde weggefegt von einem widernatürlich hohen Kreischen. Ein explosionsartiger Knall hallte durch die Gasse.
„Was ist das, verdammt?“
Chan erschrak. Das Haus starrte ihn an! Lachte ihn aus!
„Sieh nach, alter Mann. Schnell.“
Mit seinem Gehstock scheuchte er Meister Sen aus dem Wagen. Gerade setzte der Weise seinen Fuß auf das Pflaster, als die Balken, die die linke Hauswand abstützten, rumpelnd zu Boden fielen. Die Wand knickte nach innen ein. Dachbalken rutschten hinterher, ein Regen von Ziegeln stürzte herunter. In der Wolke aus Staub und feinem Geröll stürmten zwei Männer zur Tür hinaus auf die Gasse. Die Bretter vor den Fenstern sprengten heraus und schossen ihnen hinterher. Drinnen grollte es wie eine herannahende Lawine. Und dann hielt das Haus inne. Für Sekunden hörten alle nur das Prasseln herabstürzender Putzbrocken. Ein kurzes Knacken und dann sackte der Rest des Daches in einem Stück ab, riss die Zwischendecke mit und hüllte alles brüllend in qualmdicken Staub.
    Der Artikel in den local news der Singapore Straits Times wunderte sich weniger über die beiden Leichen, die man in den Trümmern eines eingestürzten Hauses in Kampong Glam gefunden hatte. Ausgiebig widmete er sich dem mysteriösen Fund

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