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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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ein Risiko eingehen, gäbe es keine Desantischen Spiele."
    Der König neigte den Kopf, um seine Gedanken nicht zu verraten. So verharrte er lange genug, um Bellanes jegliche Hoffnung auszutreiben. Doch als er wieder hochschaute, sah ihn der Krieger höflich wartend an. „Eure Bitte macht mich neugierig, Bellanes. Kommt morgen zu mir, damit wir darüber reden können." „Zu welcher Stunde?", fragte Bellanes mit leuchtenden Augen.
    „Zur richtigen Stunde", erwiderte Ardesen grinsend und entließ ihn. Bellanes sollte ihm beweisen, dass er nicht auf den Kopf gefallen war. Wenn er den Befehl über eine Bande von Taugenichtsen erbat, wollte es der König ihm nicht zu leicht machen.
    Landen stand in voller Rüstung auf einem abgelegenen Feld, ein Schwert in der Hand. Vor ihm ein bunter Haufen von fünfzehn starken, unbewaffneten Männern, unter ihnen Andris. Über der Versammlung wölbte sich der blaue Himmel. An den umliegenden Bäumen schossen junge Triebe hervor.
    Landen schrie: „Ihr alle seid Verbrecher und nach dem Gesetz habt ihr Euer Leben verwirkt!" Einige der Männer schielten verstohlen zu den Bäumen hinüber. Wachen waren nirgends zu sehen. „Aber ihr seid auch Kämpfer. Das weiß ich, denn ich habe jeden Einzelnen von euch im Kampf erlebt." Die Gefangenen sahen einander an. „König Ardesen hat mir Befehlsgewalt über eine Gruppe von Kriegern meiner Wahl versprochen." Fünfzehn Augenpaare waren auf Landen geheftet. „Ich habe euch gewählt."
    Er bemerkte, wie sie langsam begriffen. „Ich habe euch einmal verschont. Doch wenn irgendeiner von euch zu seinen Verbrechen zurückkehrt, kenne ich keine Gnade. Jeder, der nicht unter mir dienen will, kehre zum Kerker zurück."
    Keiner rührte sich.
    „Und nun tretet einer nach dem anderen vor. Sagt eure Namen und eure Vergehen." Andris trat vor und reckte seine breite Brust. „Andrups. Pferdedieb."
    Landen nickte. „Andris. Ab heute stiehlst du nur noch Pferde, wenn ich es befehle." Andris grobe Gesichtszüge verzogen sich zu einem Grinsen.
    Ein großer, muskulöser Mann trat nach vorn, dessen linke Gesichtshälfte von einer bläulichen Narbe entstellt war, wogegen die rechte Seite beinahe engelsgleiche Züge zeigte. Er stellte sich neben Andris. „Bangor", sagte er mit heller Stimme. „Ich stehle alles." Vereinzeltes raues Lachen ertönte. Landen sah in das entstellte Gesicht. „Und wer hat dir das hübsche Gesicht gestohlen?"
    Diesmal lachten noch mehr und bald standen vierzehn Männer in loser Reihe nebeneinander. Alle waren wegen Diebstahls verurteilt worden.
    Der letzte Mann trat vor. Herausfordernd sah er die anderen an.
    „Ich heiße Sakor. Mörder." „Warum hast du getötet?"
    Sakor zuckte die Achseln. „Der Mann, für den ich arbeitete, schlug mich. Da schnappte ich mir seinen Sohn und stach ihn nieder." „Wie alt war der Sohn?" „Ungefähr zwölf."
    Landen reichte sein Schwert Andris, der am nächsten neben ihm stand. „Töte ihn", befahl er.
    Andris holte aus. Sakor versuchte zu fliehen, war aber nicht schnell genug. Mit einem Streich trennte Andris ihm den Kopf ab. Er rollte zu Boden, dann folgte der Körper. Andris stieß einen Siegesschrei aus und hielt triumphierend das Schwert hoch.
    Der neue Anführer nahm es zurück, wischte sorgfältig die Klinge ab und ließ sich seine düsteren Gefühle mit keinem Wort anmerken. Ardesens erste Bedingung war erfüllt - der Mörder war gerichtet. Sakor hatte den Tod verdient, aber Landen wäre es lieber gewesen, ein anderer Richter hätte das Urteil gesprochen. Er sprach ein stilles Gebet, das Sakors Seele begleiten sollte, bat ihn um Verzeihung und dankte ihm dafür, dass er mit seinem Tod den anderen die Freiheit geschenkt hatte. Achtung wird in dieser Welt nur zu oft mit Blut erkauft. Wie leicht hätte Andris mich mit meinem eigenen Schwert töten können. Doch er gab es an mich zurück, und nun sind die Männer zu einer Gemeinschaft verschweißt.
    Sie scharten sich um ihn, bereit ihm mit leidenschaftlicher Treue zu dienen, denn sie, die Verlorenen, hatten durch ihn eine neue Chance erhalten.
    Mit der Hacke in der Hand stand Torina auf einem Ackerstreifen hinter dem Dirksonschen Bauernhof. Ein Stückchen weiter, hinter Bäumen versteckt, baute Tesh eine Hütte für sie. Sie konnte die Melodie seiner Hammerschläge hören.
    Sie hatte der Familie einen Rubin gegeben, den Annas verschlossener Mann irgendwo verkauft hatte. Wo, das hatte er nicht verraten, nur, dass er dafür ziemlich weit gereist

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