Das Auge der Seherin
erlaubt, dass ich Euch bewachen lasse."
„Soldaten an diesem Ort würden nur die Aufmerksamkeit auf mich lenken. Ich werde nicht mit Euch gehen", entgegnete sie.
„Ihr wisst, dass ich Oberkönig bin. Empfindet Ihr denn gar keine Ehrfurcht vor mir?"
Sie sah ihm in die Augen. „Ehrfurcht habe ich wohl, Dahmis. Aber nicht vor Königen."
„Vineda, auf Knien flehe ich Euch an. Bitte lasst Euch helfen."
„Ich habe Euch nicht gebeten vor mir zu knien. Ich werde hier bleiben. Wollt Ihr mir wirklich helfen, so findet den Mann, bevor er mich findet und wieder zurückbringt nach ..." „Nach wo?"
„Dahin wo er hergekommen ist", entgegnete sie scharf.
Dahmis schmunzelte. Das Schmunzeln wurde zum Lachen und er erhob sich und beugte sich über sie. „Vergebt mir. Bewahrt Eure Einsamkeit. Ich werde diesen Gerüchten weiter nachgehen." „Ich danke Euch." Sie lächelte.
„Solltet Ihr Eure Meinung ändern, reicht ein Wort von Euch und Ihr bekommt jeglichen Schutz, den Ihr erbittet." Dahmis langte in seine Tasche und zog einen glasartigen schwarzen Stein an einer roten Kordel hervor, in dem sein Wappen eingraviert war.
„Dieser Stein wird Euch durch alle Wachposten führen und alle Türen zu mir öffnen. In allen Königreichen gibt es nur fünf seiner Art. Bitte nehmt ihn an und tragt ihn immer bei euch. Überall sind die Wachen angewiesen, den Besitzer eines solchen Steins passieren zu lassen, gleichgültig, wer es ist."
Sie nahm den Stein, wohl wissend welche Ehre ihr damit zuteil wurde. „Danke, mein König."
Etwas verlegen verneigte er sich. Torina sah ihm nach, als er durch den Regen davonritt, dann ging sie hinein und lauschte dem wilden Klopfen ihres Herzens.
Im Königsschloss von Archeld empfing Vesputo Beron, der eben von einer mehrmonatigen Reise zurückgekehrt war.
Beron kräuselte seine buschigen Augenbrauen. „Mein Herr, ich habe den Menschen auf alle erdenkliche Weise die Zungen gelöst, niemand weiß von einem Kristall, der die Zukunft voraussagt. Ich bin auch den Spuren einiger rothaariger Mädchen in der Umgebung der Festung von Glavenrell nachgegangen. Sie aber war nicht dabei."
„Lebt sie, werden wir sie auch finden", erklärte Vesputo. „Du hast auch in den benachbarten Königreichen gesucht?"
Ja, mein Herr. Ich bin bis in das Land Mlavens im Norden gereist und durch ganz Desante bis nach Osten." „So, und wie war es in Desante?", fragte Vesputo neugierig. „Was hast du über die Bellanesbande erfahren?" „Nicht viel, Herr. Bellanes ist beinahe genauso unsichtbar wie die Prinzessin, obgleich sein Ruhm ständig wächst."
„Ich frage mich, wer dieser Bellanes ist", sagte Vesputo und streckte seine Füße zum Feuer aus. „Er führt eine Verbrecherbande an, Herr, soweit ich erfahren konnte. König Ardesen erlaubte es ihm versuchsweise und ist mit dem Ergebnis so zufrieden, dass er Bellanes die geheimsten Aufträge anvertraut." „So? Und was hat dieser Bellanes ausgefressen?" „Es heißt, sie seien Diebe, auch Bellanes. Ardesen beauftragt sie mit Diebstählen - Waffen, Schätze, Geheimnisse. Angeblich ist nichts vor ihm sicher, er finde alles und bringe es zurück, bevor es vermisst wird." „Hm." Vesputos Augen verengten sich zu Schlitzen und eine Weile saß er bewegungslos da. „König Ardesen lässt Bellanes völlig freie Hand", fuhr Beron fort.
„Ich frage mich, ob er auch eine Wahrsagerin aufspüren und entführen könnte. Oder den Stein einer Wahrsagerin?"
Beron sah ihn erstaunt an. „Natürlich. Er kann alles stehlen, warum nicht auch sie?"
„Wie können wir dem Mann eine Nachricht zukommen lassen? Vielleicht über König Ardesen." Vesputo schlug die Fingerspitzen gegeneinander. Ja, mein Herr."
„Lebt sie, hat sie sich irgendwo versteckt, sehr gut versteckt. Hast du Informanten beauftragt?" „Ja, und ihnen ein Vermögen versprochen, wenn sie uns zu ihr führen. Und ich habe Siegel ausgegeben, damit jeder Brief unverzüglich an Euch weitergeleitet wird." „Danke, Hauptmann. Du hast gute Arbeit geleistet." Beron schwoll vor Stolz sichtbar an.
König Dahmis beobachtete seine Truppen beim Bogenschießen. Alle Anzeichen sprachen dafür, dass die Sliviiter einen Angriff vorbereiteten. Unbekannt war nur der Ort, wo sie angreifen wollten. Vineda bestätigte die Informationen seiner Späher. Massen von Söldnern und sliviitischen Kriegern führten gemeinsam Truppenübungen durch und ein Vermögen wurde für den Bau neuer Schiffe investiert. Die Flotte der Sliviiter galt
Weitere Kostenlose Bücher