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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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worden. Dahmis wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er daran dachte, was Dreea aufs Spiel gesetzt hatte. Sie hatte außergewöhnlichen Mut bewiesen. Dahmis rollte den
    Brief fest zusammen und steckte ihn ein. Zum Himmel gewandt sprach er laut:
    „Es wird nicht leicht sein, ihm das Schwert von Bellandra abzujagen."
    Mit versteinertem Gesicht ging der König zum Übungsplatz zurück. Dort nahm er Larseid beiseite und beriet sich mit ihm. Eine Stunde später ritt ein Botschafter des Königs in scharfem Galopp in Richtung Desante.

 
4. Kapitel
     
    König Ardesen wartete auf Bellanes. Er freute sich auf die Begegnung wie auf eine gelungene Unterhaltung. Bellanes hatte alle seine Erwartungen erfüllt, er hatte Ideen, war unkonventionell und erfolgreich. Der junge Mann trat ein, sein schneller Schritt verriet die ihm eigene Kraft und Anmut. Er verneigte sich und setzte sich dem König gegenüber auf einen Stuhl. Sein ruheloses, fremdartiges Gesicht mit dem eigenartigen Blick aus Kälte und Feuer verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln.
    „Ihr habt nach mir gesandt, Herr."
    ,Ja, Bellanes." Der König reichte seinem Gast eine Schriftrolle. Bellanes überflog den Text. Ardesen glaubte zu bemerken, wie sich seine Schultern plötzlich anspannten, als wollte der junge Mann das Blatt zerknüllen.
    „Nein, Herr." Bellanes reichte ihm das Blatt zurück.
    „Nein?" Der König blinzelte ungläubig.
    „Nein. Dieser Brief ist von König Vesputo."
    „Er will dich kennen lernen. Er lädt dich in sein Reich
    ein. Er hat einen Auftrag, den seiner Meinung nach nur
    du erledigen kannst. Er verspricht, dich reichlich zu entlohnen." „Nein, Herr."
    „Doch, so steht es in dem Brief."
    „Ich weiß, was in dem Brief steht, Herr", sagte Bellanes ruhig. Ardesen fühlte den sengenden Blick des Kriegers auf sich.
    „Nun? Willst du nicht wissen, was König Vesputo von dir will?"
    Bellanes zuckte mit den Schultern. „Nein, Herr, das möchte ich durchaus nicht wissen." „Was soll ich Vesputo sagen?" „Was Ihr wollt, Herr."
    Ardesen starrte grimmig vor sich hin, denn er wollte nicht zeigen, wie sehr ihn der Gedanke an Vesputos Missbehagen amüsierte. „Du überrascht mich." „War das alles, Herr?"
    „Nein. Nein, ich habe noch einen Brief für dich." Mit Genugtuung griff Ardesen in seinen Umhang und zog eine weitere Schriftrolle hervor. Bellanes überflog auch diesen Brief. Diesmal jedoch war seine Reaktion ganz anders. Der junge Mann schien von einer kraftvollen Welle gepackt. „Ich kann sofort aufbrechen!"
    „So, so, dem Oberkönig zu dienen ist dir nicht egal?"
    Ja, Herr. Wisst Ihr, was er von mir will?"
    „Nein."
    „Ich werde noch heute abreisen." Bellanes sprang auf.
    „Danke, Herr. Setzt Euch mit Andris in Verbindung, wenn Ihr während meiner Abwesenheit unsere Dienste benötigt."
    Der junge Mann verneigte sich und ging. Ardesen schlug sich still vergnügt mit der Faust aufs Knie, dann fasste er sich an die Stirn, weil er versäumt hatte Bellanes zu fragen, warum er Vesputo nicht treffen wollte. „Das hätte er mir sowieso nicht verraten, selbst wenn ich ihn gefragt hätte", sagte er sich.
    Dahmis' Atem bildete Wolken, als er von seinem Ausguck Larseid näher kommen sah, dem ein groß gewachsenen Mann in einer Steppjacke folgte. Der Fremde stieg leichtfüßig den steilen Weg hinan. „Das ist Bellanes, Herr", sagte Larseid. Dahmis streckte die Hand aus. Bellanes schüttelte sie mit festem Händedruck.
    „Ich danke Euch, Larseid", sagte Dahmis lächelnd. Larseid nickte und machte sich wieder an den Abstieg. „Endlich lerne ich Euch kennen, Bellanes." Der Mann erwiderte seinen Blick mit ganz ungewöhnlichen Augen, die den Eindruck erweckten, als glühten sie und seien gleichzeitig zu Eis erstarrt. „Ich hoffe, Eure Begleiter sind zum Essen gebeten worden?", fragte Dahmis.
    „Ich bin allein gekommen, wie Ihr zweifellos wisst." Dahmis versuchte, den klaren, sanft schwingenden Tonfall zu lokalisieren. Obgleich er weit gereist war, wusste
    er nicht genau, wo er ihn schon einmal gehört hatte, doch er wollte ihm nicht aus dem Gedächtnis, wie eine Erinnerung an einen lang zurückliegenden Traum. Dahmis schmunzelte. „Vielleicht sind einige der Gerüchte wahr, die über Euch kursieren." Bellanes lockiges Haar flatterte im Wind. Ja", fuhr der König fort, „es gibt viele Geschichten über Euch." „Wie über Euch."
    „Es heißt, Ihr seid der fähigste Krieger aller Königreiche, doch scheut Ihr Euch zu töten." Fragend

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