Das Auge der Ueberwelt
großes Interesse. Als er gefrühstückt hatte und die Zeit zum Aufbruch gekommen war, warf Cugel einen der juwelenbesetzten Knöpfe auf die Theke. »Setze für diese Kostbarkeit einen gerechten Preis fest, ziehe den Rechnungsbetrag ab und gib mir ein Wechselgeld in Goldmünzen.«
Der Wirt untersuchte den Knopf lang und sorgfältig, schürzte die Lippen und legte den Kopf auf die Seite. »Der Rechnungsbetrag entspricht genau dem Wert dieser Kleinigkeit; herausgeben kann ich dir nichts.«
»Was?« tobte Cugel. »Dieser klare Aquamarin, flankiert von vier Smaragden? Für ein paar Becher schlechten Weins, ein Schmorgericht und eine Nachtruhe, in der man von deinem diebischen Küchenjungen gestört wird? Ist dies ein Wirtshaus oder eine Räuberhöhle?«
Der Gastwirt zuckte mit der Schulter. »Der Rechnungsbetrag liegt ein wenig über dem üblichen Satz, aber mit Geld, das in den Taschen eines Leichnams modert, ist niemandem gedient.«
Schließlich gelang es Cugel, mehrere Goldmünzen herauszuholen, dazu ein Paket mit Brot, Käse und Wein. Der Wirt kam an die Tür und zeigte ihm den Weg. »Es gibt nur diesen einen Pfad, der gerade nach Süden führt. Leb wohl.«
Cugel machte sich auf den Weg, nicht ohne ungute Vorahnungen. Das erste Stück führte der Weg an den bestellten Feldern der ansässigen Bauern vorbei, dann, als die Vorberge sich von beiden Seiten heranschoben, wurde er zu einem Fußpfad und schließlich zu einer Pfadspur, die sich neben einem trockenen Bachbett durch dornige Dickichte aufwärts schlängelte. Der Pfad verlief parallel zu einem allmählich ansteigenden Kamm, der lockeren Eichenwald trug, und Cugel, der seine Lebenserwartung zu verlängern gedachte, indem er unbeobachtet ging, erstieg den Hang und wanderte im Schutz der Bäume auf dem Kamm weiter.
Die Luft war klar, der Himmel von einem leuchtenden Dunkelblau. Die Sonne hob sich dem Zenit entgegen, und Cugel erinnerte sich des Proviants in seinem Beutel. Er setzte sich, aber als er es tat, sah er aus den Augenwinkeln die schnelle Bewegung eines dunklen Schattens. Der Angreifer wollte ihn offenbar von hinten anfallen.
Cugel gab vor, nichts zu bemerken, und bald bewegte sich der Schatten wieder vorwärts: ein Deodand, größer und schwerer als er selbst, schwarz wie die Nacht bis auf leuchtendweiße Augen, weiße Zähne und Klauen und ein zerrissenes Hemd aus grünem Samt, das von einem früheren Opfer stammen mochte.
Cugel überlegte fieberhaft, was zu tun sei. Im offenen Kampf würde der Deodand ihn in Stücke reißen. Mit dem Degen mochte Cugel ihn eine Weile in Schach halten, bis die Blutgier über die Furcht vor Schmerzen siegen und er sich ohne Rücksicht auf Verletzungen auf Cugel stürzen würde.
Der Unhold glitt wieder vorwärts und verschwand hinter der Deckung einer Felsrippe, zwanzig Schritte schräg hangabwärts von Cugels Platz. Sobald der Deodand verschwunden war, rannte Cugel zu der Felsrippe und sprang hinauf. Er hob einen schweren Steinbrocken auf und warf ihn von oben auf den Rücken des lauernden Halbmenschen. Der Deodand fiel und lag zappelnd im langen Gras, und Cugel sprang von der Felsrippe hinunter, um ihm den Todesstoß zu versetzen.
Der Deodand zischte beim Anblick der Degenklinge vor Entsetzen. »Halt, warte!« sagte er. »Durch meinen Tod gewinnst du nichts.«
»Nur die Befriedigung, einen zu töten, der mich zerreißen und fressen wollte.«
»Ein steriles Vergnügen!«
»Wenige Vergnügungen sind nicht steril«, sagte Cugel. »Aber solange du noch lebst, sag mir, was du über die Berge von Magnatz weißt.«
»Sie sind, wie du sie siehst: dunkle hohe Berge aus schwarzem Urgestein.«
»Und was ist mit Magnatz?«
»Ich weiß nichts von einer solchen Wesenheit.«
»Was? Die Menschen des Nordens erzittern schon bei der bloßen Nennung des Namens!«
Der Deodand zog sich noch ein Stück in die Höhe und stand aufrecht. »Das mag sein. Ich habe den Namen gehört, halte ihn aber für eine alte Legende.«
»Warum ziehen Reisende nach Süden, während keine nach Norden kommen?«
»Warum sollte jemand nach Norden reisen wollen? Was jene betrifft, die nach Süden gingen, so haben sie mir und meinesgleichen zur Nahrung gedient.« Der Deodand spannte seine Muskeln. Cugel sah es, hob einen schweren Stein auf und schleuderte ihn auf die schwarze Kreatur, die mit einem rauhen Schrei zurückfiel und zuckend liegenblieb. Cugel hob einen weiteren Stein auf.
»Warte!« rief der Deodand mit schwacher Stimme. »Verschone
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