Das Auge der Ueberwelt
Behälter für kostbare Gewürze, Fässer mit Branntwein und wertvollen Pflanzenölen. Aber vielleicht klingt es in deinen Ohren großsprecherisch, denn du bist ein Reisender und ein welterfahrener Mann, der wirkliche Reichtümer gesehen hat.«
Cugel erwiderte, daß die Reichtümer von Vull keineswegs zu verachten seien. Der Hetman lächelte geschmeichelt, und sie gingen weiter zu einer breiten Uferpromenade neben dem See.
Der Hetman zeigte ihm eine Kuppel, die von einer wenigstens hundert Ellen hohen schlanken Säule getragen wurde. »Kannst du den Sinn dieses Turmes erraten?«
»Ich würde sagen, daß es der Turm des Wachmanns ist«, sagte Cugel.
»Richtig! Du bist ein scharfsinniger Mann. Schade, daß du es so eilig hast und nicht länger in Vull bleiben kannst!«
Cugel, der an seinen leeren Beutel und die Reichtümer des Warenmagazins dachte, machte eine höfliche Geste. »Ich wäre nicht abgeneigt, meinen Aufenthalt zu verlängern, aber ich reise in Armut und würde gezwungen sein, irgendeine einträgliche Arbeit anzunehmen. Ich dachte schon an das Amt des Wachmanns, das, wie ich hörte, mit einigem Prestige verbunden ist.«
»Das ist es in der Tat«, antwortete der Hetman. »Heute nacht hält mein eigener Sohn Wache. Dennoch gibt es keinen Grund, warum du nicht ein geeigneter Kandidat für das Amt sein solltest. Die Pflichten sind keineswegs mühsam; tatsächlich ist das Amt eine Art Sinekure.«
Cugel fühlte, daß Firx unruhig wurde. Er klopfte beschwichtigend an seine Seite und fragte: »Und wie sieht es mit den Einkünften aus?«
»Sie sind nicht zu verachten. Der Wachmann erfreut sich hier in Vull großer Achtung, da er uns alle vor Gefahr schützt – natürlich in einem rein formalen Sinne.«
»Welches sind die Einkünfte und Nebenvergünstigungen, die der Wachmann erhält?«
Der Hetman überlegte eine Weile, dann nahm er beide Hände zu Hilfe, um die Pluspunkte einzeln an den Fingern abzuzählen. »Erstens erhält er einen bequem ausgestatteten Wachturm, komplett mit Kissen, einem optischen Gerät, das entfernte Objekte nahe erscheinen läßt, einem Kohlenbecken, das an kalten Tagen Wärme spendet, und einem sinnreichen Kommunikationssystem. Zweitens erhält er Speisen und Getränke von bester Qualität, die ihm auf sein Verlangen kostenlos jederzeit geliefert werden. Drittens wird ihm der zusätzliche Titel ›Wächter des Gemeindemagazins‹ verliehen, und um die Dinge zu vereinfachen, erhält er mit dem Titel auch die Verfügungsgewalt über den gemeindeeigenen Reichtum von Vull. Viertens kann er unter allen Mädchen des Dorfes jenes zur Frau nehmen, das ihm am anziehendsten erscheint. Fünftens hat er Anspruch auf den Titel eines Barons und muß von allen mit größtem Respekt behandelt werden.«
»Wirklich«, sagte Cugel, »die Position verdient in Erwägung gezogen zu werden. Welche Verantwortlichkeiten sind mit ihr verbunden?«
»Nun, wie der Name schon sagt, muß der Wachmann Wache halten, denn dies ist einer der altmodischen Bräuche, die wir beachten. Die Pflichten sind kaum beschwerlich, aber sie dürfen nicht vernachlässigt werden, denn wir sind ernsthafte Leute, selbst wenn es um unsere absonderlichen Traditionen geht.«
Cugel nickte. »Das leuchtet ein. Aber wer ist Magnatz, aus welcher Richtung wird er erwartet, und woran erkennt man ihn?«
»Diese Fragen haben kaum praktische Bedeutung«, sagte der Hetman, »da dieses Lebewesen nach aller Erfahrung nicht existiert.«
Cugel blickte zum Turm auf, dann über den See hinaus und zurück zum gemeindeeigenen Magazin. »Ich bewerbe mich hiermit um das Amt des Wachmanns, vorausgesetzt, alles ist, wie du gesagt hast.«
Augenblicklich überfiel Firx seine Eingeweide mit einer Serie stechender Schmerzen. Cugel preßte beide Hände gegen den Leib und taumelte zur Seite, nachdem er sich beim verdutzten Hetman entschuldigt hatte. »Geduld!« beschwor er Firx. »Hast du keine Vorstellung von der Wirklichkeit? Mein Geldbeutel ist leer, und wir haben eine weite Reise vor uns! Wenn ich schnell vorankommen soll, muß ich meine Kräfte wiederherstellen und meine Börse auffüllen. Ich will dieses Amt nur so lange übernehmen, bis beides geschehen ist, dann ziehen wir weiter!«
Firx verringerte widerwillig die Demonstrationen seiner Macht, und Cugel kehrte zum Hetman zurück.
»Alles ist in Ordnung«, sagte Cugel. »Ich bin mit mir selbst zu Rate gegangen und glaube, daß ich den Verpflichtungen des Amtes gerecht werden kann.«
Der Hetman
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