Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge der Ueberwelt

Das Auge der Ueberwelt

Titel: Das Auge der Ueberwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
anzuschließen. Da waren Deodander und Erbs. Einmal versuchte ein Gid, die Barrikade zu überspringen; ein anderes Mal vereinigten sich drei Hoons, um die Pfosten einzudrücken – zogen sich zurück, stürmten im Anlauf vorwärts, um gegen die Pfosten zu rammen, während die Pilger im Innern des magischen Zirkels fasziniert zusahen.
    Cugel trat näher, um einem der Kolosse einen Feuerbrand ins Gesicht zu stoßen, und wurde mit einem Wutschrei belohnt. Ein mächtiger grauer Arm griff durch eine Lücke zwischen zwei Pfosten, und Cugel sprang um sein Leben. Die Barrikade hielt, und nach einiger Zeit begannen die Belagerer untereinander zu streiten und zogen ab.
    Am Abend des dritten Tages kam der Pilgerzug an die Einmündung des Asc in einen breiten, langsamen Strom den Garstang Skamander nannte. In der Nähe erhob sich ein Wald aus hohen Tannen und weißen Eichen. Mit der Hilfe einheimischer Fischer wurden Bäume gefällt, gesägt und zum Ufer gerollt, wo sie zu einem Floß zusammengestellt wurden. Die Pilger gingen an Bord, und das Floß wurde mit langen Stangen in die Strömung hinausgeschoben.
    Fünf Tage lang zog das Floß gemächlich den breiten Skamander hinab. Zuweilen waren die Ufer kaum zu sehen, manchmal führte die Strömung sie nahe an den schilfbestandenen Ufern vorbei. Da sie nichts Besseres zu tun hatten, verstrickten sich die Pilger in langwierige Disputationen, und die Verschiedenartigkeit der Meinungen zu jedem einzelnen Thema war bemerkenswert. Meistens ging es um die Erforschung metaphysischer Geheimnisse, oder um die richtige Auslegung der von Gilfig niedergelegten Prinzipien.
    Subucule, der in der Auslegung der heiligen Schriften am meisten bewanderte unter den Pilgern, erläuterte seinen Glauben bis in die Einzelheiten. Er bekannte sich zur orthodoxen gilfigitischen Theosophie, nach der Zo Zam, die achtköpfige Gottheit, nach Erschaffung des Kosmos sich den rechten großen Zeh abschlug, aus dem dann Gilfig wurde, während die verspritzten Blutstropfen die acht Rassen der Menschheit wurden. Roremaund, ein Skeptiker, scheute sich nicht, an den Grundfesten der Doktrin zu rütteln: »Wer hat diesen hypothetischen ›Schöpfer‹ erschaffen? Ein anderer Schöpfer? Es ist einfacher, bloß das Endprodukt vorauszusetzen: in diesem Fall eine erlöschende Sonne und eine sterbende Erde.«
    Ein Mann namens Bluner vertrat hartnäckig seinen eigenen Glauben. Er sah die Sonne als eine Zelle im Körper einer großen Gottheit, die den Kosmos in einem Prozeß erschaffen hatte, der etwa dem Wachstum einer Flechte auf einem Felsen analog war.
    »Wenn die Sonne eine Zelle wäre, was würde dann die Natur der Erde sein?« wandte Subucule ein.
    »Ein winziger, parasitärer Organismus, der sich von dieser Zelle nährt«, erwiderte Bluner. »Solche Abhängigkeiten überraschen keinen, der sich im Leben der Tiere und Pflanzen auskennt.«
    Bluner begann seine Theorie detailliert zu entwickeln, wurde aber bald von Pralixus unterbrochen, einem hochgewachsenen, mageren Mann mit durchdringenden grünen Augen. »Hört mich an: Meine Theorie ist die Einfachheit selbst. Viele Zustandsformen sind möglich, und die Zahl der Unmöglichkeiten noch größer. Unser Kosmos ist ein möglicher Zustand. Er existiert. Warum? Die Zeit ist unendlich, was besagen will, daß jeder mögliche Zustand einmal eintreten muß. Da wir in dieser besonderen Möglichkeit leben und keine andere kennen, maßen wir uns die Qualität der Einzigartigkeit an. In Wahrheit wird jedes Universum, das möglich ist, früher oder später existieren, und zwar nicht nur einmal, sondern viele Male.«
    »Ich neige zu einer ähnlichen Anschauung, obwohl ich ein frommer Gilfigit bin«, erklärte Casmyr, der Theoretiker. »Meine Philosophie geht von einer Reihe von Schöpfern aus, jeder in seiner eigenen Art absolut. Um den gelehrten Pralixus zu paraphrasieren: wenn eine Gottheit möglich ist, dann muß sie auch existieren! Nur unmögliche Gottheiten existieren nicht.«
    Garstang, der ein wenig abseits saß, lächelte gedankenvoll. »Und Sie, Cugel, was glauben Sie?«
    »Es ist ein wenig verwirrend«, gab Cugel zu. »Ich habe verschiedene Erkenntnisse und Ansichten in mich aufgenommen, deren jede für sich allein ihre Berechtigung hat: von den Priestern im Tempel des Teleologus; von einem verzauberten Vogel, der Botschaften aus einem Kasten pflückte; von einem fastenden Anachoreten, der eine Flasche Elixier trank, die ich ihm im Scherz anbot. Die resultierenden Visionen

Weitere Kostenlose Bücher