Das Auge der Ueberwelt
Nun sind wir siebenundfünfzig, erprobte und wahre Kameraden, und es ist traurig, unsere Gesellschaft aufzulösen.
In zwei Tagen beginnt das Lustralfest. Wir sind zeitig am Ziel angelangt. Jene unter uns, die nicht ihre gesamten Mittel beim Glücksspiel verloren haben, können in bequemen Gasthäusern Quartier nehmen.« Garstang machte eine Pause, um Cugel mit scharfem Blick zu fixieren, dann fuhr er fort: »Die Mittellosen müssen sich durchschlagen, so gut sie können. Nun ist unsere Reise zu Ende; wir trennen uns, und jeder geht seine eigenen Wege, obwohl wir uns alle in zwei Tagen am schwarzen Obelisken wiedersehen werden. Bis dahin lebt wohl!«
Die Gruppe löste sich auf, und Cugel gesellte sich zu Voynod. »Wie Sie wissen, ist mir diese Gegend fremd; vielleicht können Sie ein Gasthaus mit großem Komfort bei niedrigen Preisen empfehlen.«
»In der Tat«, antwortete Voynod. »Ich bin eben im Begriff, ein solches Gasthaus aufzusuchen. Wenn die Verhältnisse sich nicht geändert haben, dann findet man dort allen erdenklichen Luxus und ausgezeichnete Fleischspeisen zu mäßigen Preisen.«
Der Vorschlag fand Cugels Zustimmung, und sie durchwanderten gemeinsam die Straßen des alten Erze Damath, vorbei an kleinen Vorstadthäusern, dann durch eine Region, in der keine Gebäude standen, und gelangten schließlich in ein Viertel mit großen Häusern, die noch bewohnt wurden; die meisten von diesen lagen in üppigen Gärten. Die Bewohner von Erze Damath schienen stattlich und kultiviert genug, aber sie waren dunkelhäutiger als die Leute von Almery.
Zu Cugels und Voynods Enttäuschung war das in Aussicht genommene Gasthaus voll besetzt, und sie zogen von einer Herberge zur anderen, bis sie endlich am westlichen Stadtrand und schon in Sichtweite der Silbernen Wüste in einem großen Gasthof von verrufenem Aussehen Aufnahme fanden. Er hieß »Zur grünen Lampe«.
»Bis vor zehn Minuten hätte ich sie nicht aufnehmen können«, erklärte der Wirt, »aber die Diebesfänger nahmen zwei Personen fest, die hier logierten.«
»Ich hoffe, diese beiden waren nicht typisch für die Art Ihrer Gäste?« sagte Voynod.
»Wer kann das sagen?« erwiderte der Wirt. »Mein Geschäft ist es, Essen und Trinken und Unterkunft bereitzustellen, mehr nicht. Raufbolde und Diebe müssen genau wie Gelehrte und Fromme trinken und essen und schlafen. Und außerdem, was weiß ich von Ihnen?«
Es wurde dunkel, und Cugel und Voynod quartierten sich unter dem Schild mit der grünen Lampe ein. Das Essen war von guter Qualität, wenn es auch unhöflich serviert wurde, und nachdem sie gespeist hatten, tranken sie Wein und überlegten, wie sie den Abend verbringen sollten. Voynod beschloß, für das Lustralfest fromme Ausrufe und religiöse Ekstase zu üben. Daraufhin bedrängte ihn Cugel, ihm das erotisierende Amulett zu leihen. »Die Frauen von Erze Damath sehen nicht übel aus, und mit der Hilfe des magischen Amuletts werde ich meine Kenntnisse von ihren Fähigkeiten erweitern.«
Voynod legte beschützend die Hand auf den Beutel. »Keinesfalls«, antwortete er abweisend. »Meine Gründe bedürfen wohl keiner Erläuterung.«
Cugel blickte finster drein. Voynod trank seinen Wein mit einer peniblen Genügsamkeit, die Cugel zusätzlich irritierte, dann stand er auf. »Ich werde mich jetzt zurückziehen.«
Als er sich abwandte, wurde er von einem angetrunkenen Raufbold gerempelt, der gerade vorbei wollte. Voynod schnappte eine scharfe Zurechtweisung, die der andere nicht überhörte. »Was sagst du da? Zieh und wehre dich, oder ich schneide dir die Nase aus dem Gesicht!« Und der Mann riß seine Klinge heraus.
»Wie du willst«, erwiderte Voynod. »Augenblick, bis ich meinen Degen finde.« Mit einem Augenzwinkern zu Cugel rieb er seine Klinge mit der Salbe ein, dann wandte er sich seinem Gegner zu. »Bereite dich auf den Tod vor, mein Bester!« Er sprang mit großartiger Gebärde vorwärts. Der andere hatte Voynods Vorbereitungen gesehen und verstand nun, daß er es mit Magie zu tun hatte. Er stand wie gelähmt, mit schreckgeweiteten Augen. Voynod rannte ihm den Degen in den Leib und wischte die Klinge am Hut seines Herausforderers ab.
Die Freunde des Toten sprangen von ihrem Tisch auf und griffen zu den Waffen, hielten jedoch ein, als Voynod ihnen mit stolzer Herausforderung entgegentrat. »Nehmt euch in acht. Seht das Schicksal eures Genossen! Er starb durch die Kraft meiner magischen Klinge, die Fels und Stahl wie Butter schneidet. Seht
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