Das Auge der Ueberwelt
Mann, dem die Nase und ein Ohr fehlten. Er trug ein graues Lederkleid mit Gürtel und einen hohen, konischen schwarzen Hut mit lose hängenden Ohrenklappen.
Garstang erklärte ihm den Zweck des Besuchs. »Wir sind Pilger, die durch die Wüste reisen müssen, und möchten Packtiere mieten. Unsere Gruppe umfaßt ungefähr fünfzig Menschen, und wir rechnen mit einer Reisedauer von zwanzig Tagen in jeder Richtung, mit vielleicht fünf Tagen Aufenthalt am Zielort. Dies ist der Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Natürlich erwarten wir, daß Sie uns nur gesunde, zähe, leistungsfähige und gutwillige Tiere zur Verfügung stellen.«
»Das ist alles sehr schön«, erwiderte der Ausrüster, »aber mein Mietpreis ist mit dem Verkaufspreis identisch, also sollten Sie für Ihr Geld die volle Gegenleistung in Form eines Besitztitels auf die betreffenden Tiere erhalten.«
»Und der Preis?« forschte Casmyr.
»Das hängt von Ihrer Wahl ab; jedes Tier hat seinen Preis.«
Garstang überblickte den weiten Hof und schüttelte resigniert den Kopf. »Ich bin ratlos. Jedes Tier ist von einer anderen Art, und keines scheint in irgendeine feste Kategorie zu passen.«
Der Besitzer gab zu, daß es sich so verhielt. »Wenn Sie mich anhören wollen, kann ich alles erklären. Die Geschichte ist ebenso interessant wie lehrreich und wird Ihnen beim Umgang mit Ihren Tieren zustatten kommen.«
Der Mann ging zu einem Regal und nahm einen in Leder gebundenen Folianten heraus. »In einem vergangenen Zeitalter verordnete der vom Wahn besessene König Kutt die Schaffung einer Menagerie, die nicht ihresgleichen haben sollte, für seine persönliche Unterhaltung und zur Verblüffung der ganzen Welt. Sein Zauberer, Follinense, erzeugte daraufhin eine Gruppe von einzigartigen und teratoiden Tieren, indem er die verschiedensten Gene miteinander verband. Die Ergebnisse sind noch heute zu besichtigen.«
»Die Menagerie besteht noch immer?« fragte Garstang verwundert.
»Das nicht. Aus der Zeit des wahnsinnigen Königs Kutt hat außer der Legende nichts die Jahrtausende überdauert. Aber die Aufzeichnungen des Zauberers Follinense sind in späteren Abschriften überliefert, und so wissen wir von seiner bizarren Systematik. Zum Beispiel ...« Er schlug den Folianten auf. »Nun ... hmm. Hier sind ein paar knappe Analysen der Halbmenschen skizziert; die genauen Beschreibungen stehen an anderer Stelle. Aber hören Sie:
›Gid: Hybride von Mensch, Wolf, Gottesanbeterin.
Deodand: Vielfraß, Basilisk, Mensch.
Erb: Bär, Mensch, Eidechse, Dämon.
Grue: Mensch, Fledermaus, Jaguar.
Leukomorph: unbekannt.‹«
Casmyr klatschte verblüfft in die Hände. »Dann schuf Follinense diese Kreaturen, um den Menschen späterer Zeiten zu schaden?«
»Sicherlich nicht«, meinte Garstang. »Sicherlich handelte er nur im Auftrag seines Königs und wollte zugleich beweisen, zu welchen Glanzleistungen Wissenschaft und Magie seiner Zeit fähig waren.«
»Aber welche Verbindung gibt es dann zwischen den Tieren vor uns und jener Menagerie?« fragte Casmyr.
Der Ausrüster zuckte die Schultern. »Was wir heute auf der Erde sehen, geht auf einen anderen Scherz des verrückten Königs zurück. Als er seiner Menagerie überdrüssig wurde, setzte er sie einfach in Freiheit. Die Kreaturen erwiesen sich als außerordentlich fruchtbar und wurden durch weitere unkontrollierte Kreuzungen noch mehr statt weniger bizarr, und heute sind sie in verschiedenen Gebieten in großer Zahl anzutreffen.«
»Aber was soll uns das nützen?« sagte Cugel. »Wir brauchen folgsame und genügsame Tragtiere und keine Abnormitäten, gleichgültig, wie sehenswert sie sein mögen.«
»Auch solche Exemplare habe ich vorrätig«, sagte der Ausrüster würdevoll. »Sie haben die höchsten Preise. Auf der anderen Seite können Sie für nur zwei Terzen ein langhalsiges, dickbäuchiges Geschöpf von verblüffender Gefräßigkeit besitzen.«
»Der Preis ist attraktiv«, sagte Garstang bedauernd. »Unglücklicherweise benötigen wir die Tiere, um Lebensmittel und Wasser durch die Silberne Wüste zu tragen.«
»Nun, lassen Sie mich sehen ...« Der Ausrüster begann seine Unterlagen zu durchstöbern. Im Laufe der nächsten Stunden wurden nach und nach fünfzehn Tiere ausgewählt, und nach langem Feilschen einigte man sich auf einen Preis. Der Ausrüster ließ sie zum Tor bringen, wo Garstang, Cugel und Casmyr die fünfzehn schlecht zusammenpassenden Geschöpfe in Besitz nahmen und gemessenen Schrittes durch
Weitere Kostenlose Bücher