Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
eine gewaltig große weiße Perle hing.
Wieder ging ein Raunen durch die Menge.
Faihlyd nahm die Kette, die ihr der Wächter reichte, und hielt sie hoch. »Als der Ewige Herrscher abdankte und den Reichen ihre Kronen wiedergab«, rief sie in ihrer klaren Stimme, diesmal laut genug, dass man sie wirklich weithin verstand, »gab er ihnen auch eine Aufgabe. In unserem Reich war es das Haus des Löwen, das den Auftrag annahm. Mein Haus, das Haus meiner Ahnen. Ihr kennt die Aufgabe. Sie lautet: die dunkelste Magie zu bannen, welche je die Menschen unseres Reichs bedrohte. Die Magie der Seelenjäger. Aus der Hand Askannons erhielt ein jedes Herrschergeschlecht ein Werkzeug, um diese Aufgabe zu erleichtern. In unsere Hand legte er diese Perle, das Auge von Gasalabad.«
Nur die unverständlichen Laute des Mannes auf dem Lanzengestell waren zu hören, als Faihlyd an ihn herantrat und das Schmuckstück an seine Stirn hielt.
Als die Perle sich dunkel färbte und in wenigen Lidschlägen komplett schwarz wurde, atmeten die Zuschauer alle zugleich ein, als ob ein Drache die Luft einzog. In den Gesichtern in der ersten Reihe sah ich blankes Entsetzen.
»Nekromant«, hauchte jemand. »Nekromant«, nahm die Menge das geflüsterte Wort auf, und es eilte durch die gedrängt stehenden Reihen.
Faihlyd hielt die Perle hoch. Langsam färbte sie sich wieder weiß.
»Als mein Vater erkannte«, fuhr Faihlyd, diesmal mit leiserer Stimme, fort, »dass dieser Mann den Greifen zum Morden verwendet hatte, wunderte er sich sehr. Denn dies ist der Sohn eines ehrbaren Bäckers und einer Waschfrau. Sie verehren Boron. Dieser Mann diente vier Jahre in der Stadtwache, galt als treu und gottesfürchtig. Mein Vater fragte sich, wie es sein könne, dass solch ein Mann, ein treuer Sohn dieser Stadt, mich ermorden wollte, mich, die Tochter des Hauses des Löwen. Lange dachte er darüber nach, und er kam nur zu dem Schluss, das könne nicht sein. Also begab er sich heute Morgen unter euch, zahlte sein Kupferstück und betrachtete diese mordlüsterne Bestie, dieses unschuldige Tier und den Helden, der mich erretten wollte, diesen Pfleger, und erkannte, dass er kein Sohn Gasalabads mehr war. Wie erkannte er das?, fragt ihr euch. Nun, unser Haus besitzt ein Talent, welches uns die Götter zum Schutz unserer Untertanen gaben. Und es ist zu verstehen, warum ihr es vergessen habt, denn lange ist es her, dass es dem Haus des Löwen zu seinem Ruhm diente. Doch wir spüren die dunkle Magie, die Macht der Seelenjäger. Ich bat meinen Vater, mir zu erlauben, den Nekromanten zu richten, der einen treuen Sohn unserer Stadt dazu zwang, dieses Tier auf mich zu hetzen.«
Sie hielt die Kette hoch, der Wächter trat an sie heran und befestigte sie erneut an ihrem Hals. Die Perle lag nun auf ihrem Gewand und strahlte weiter in hellem Weiß.
»Denn mir, mehr als jedem anderen in unserem Haus, ist die Gabe gegeben, die dunkle Macht zu spüren. Und so lockte ich den dunklen Magier, köderte ihn und ließ ihn denken, dies wäre eine zweite Möglichkeit, mich zu ermorden. Ich wusste, dass er sich feige in eurer Mitte verstecken würde, inmitten von ehrbaren Menschen.« Sie streckte eine Hand aus, und der Soldat neben ihr legte seinen Dolch in ihre Hand. »Es steht geschrieben: Nehmt einem Nekromanten die Hände, das Augenlicht und die Zunge, auf dass er seine Macht nicht weiter nutzt. Weiterhin steht geschrieben, dass man danach eine gottgeweihte Klinge nehmen soll. Mit dieser heiligen Klinge füge man ihm eine Wunde zu, die tödlich ist. Dann wird der Nekromant seine geraubten Leben aushauchen.« Sie hob den Dolch hoch, die Klinge glitzerte in der Sonne. »Dieser Dolch wurde Boron geweiht und seiner Gerechtigkeit.«
Sie stieß dem Mann den Dolch ins rechte Ohr.
Ein wortloser Schrei ertönte, als der Mann sich aufbäumte. Schon einmal hatte ich etwas Ähnliches gesehen, als Ordun gestorben war. Das Antlitz des Nekromanten nahm für kurze Momente die Züge anderer Personen an, vier verschiedene Gesichter konnte ich erkennen, die von Freude und Genugtuung erfüllt schienen. Eines dieser Gesichter hatte ich vor kurzem erst erblickt, es gehörte dem Pfleger. Dann kam das eigene Antlitz des dunklen Magiers, das mit einem Ausdruck unsagbaren Entsetzens erstarrte.
Faihlyd ging ein paar Schritte zurück. Ein Wächter trat an den Mann heran, zog seinen Dolch und ritzte ihm eine Rune in die tote Stirn, die gleiche Rune, die mir Armin gezeigt und anschließend in Orduns Schädel
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