Das Auge der Wüste: Das Geheimnis von Askir 3 (German Edition)
nicht einfach Auf Wiedersehen sagen, Rod?«
»Mögen die Götter mit Euch sein, Herrin.«
»Mögen Euch die Götter beistehen. Auf Wiedersehen, Ser Roderic.«
»Wo warst du, Havald?«, hörte ich Leandras Stimme. »Du hast durch mich hindurch gesehen, als wärst du weit weg.«
»Alte Erinnerungen«, antwortete ich ihr leise. »Sind es schon dreißig Jahre, dass sie die Krone trägt?«
Leandra blieb stehen. »Ja. Dreißig Jahre. Die Geschichtsgelehrten mögen später darüber streiten, aber ich bin der Meinung, dass unser Land niemals einen besseren Herrscher hatte. Wenn sie stirbt, wird es einen Bürgerkrieg geben. Was dann noch von ihrem Erbe steht, wird Thalak vernichten. Wenn du sie bloß heute kennen würdest, Havald! Du wüsstest, warum ich das hier alles tue.«
»Wie kommt es, dass du sie kennst?«, fragte ich. »Schon damals ließ sie kaum jemanden in ihre Nähe.«
»Meine Mutter ist ihre sechsfach entfernte Großmutter«, sagte Leandra. »Als ich geboren wurde, schickte meine Mutter mich noch als Säugling zur Kronburg, mit einem Begleitbrief, der mich Eleonoras Großvater als königliches Mündel anvertrauen sollte. Sie hatte wohl vergessen, dass Menschen kürzer leben, er lag schon lange in seinem Grab. So wuchs ich an ihrer Seite auf.«
»Wie alt war sie?«, fragte ich.
»Zwölf.«
»Selbst noch ein Kind.«
Leandra schüttelte so heftig den Kopf, dass es aussah, als ob ihre Perücke beinahe davonfliegen würde. »Nein. Seit ihrem siebten Lebensjahr war sie kein Kind mehr. Die Götter allein wissen, woher sie ihre Weisheit hat, aber es war nie die Weisheit eines Kindes. Soltar gab ihr eine alte Seele, um uns zu leiten.«
Ich sah zum Soltartempel hinüber. Vielleicht war es nicht nur eine schöne Wortwahl, sondern die schlichte Wahrheit. Also war Leandra wie eine Schwester der Königin aufgewachsen. Ich erinnerte mich an das, was Leandra mir über ihre Kindheit in der Kronburg erzählt hatte.
»Hat sie je erfahren, wie es dir dort erging?«, fragte ich. Leandra schüttelte den Kopf. Ich brauchte nicht zu fragen, warum sie Eleonora niemals etwas gesagt hatte. Nach dem, was ich nun wusste, war mir klar, dass nichts, gar nichts, Leandra wichtiger war als ihre Mission. Sie würde Erfolg haben oder sterben.
Die Königin hatte Leandra meinen Ring gegeben. »Woher wusste sie, dass ich noch am Leben war?«, fragte ich, eine Frage, die ich wochenlang mit mir herumgetragen hatte.
»Sie wusste es einfach. Jedes Mal, wenn die Rede auf dich kam, sagte sie, du würdest noch leben, da sie noch Hoffnung habe.«
Götter. Warum konnten die Dinge nicht einfach sein? Als ich mein Leben begonnen hatte, war es einfach. Ich wusste, was zu tun war, kannte meinen Platz, musste nicht mehr verantworten, als ich konnte. Ich warf einen Blick zu Leandra hinüber. Sie ging wie immer kerzengerade, das Kinn erhoben, zielsicher und ohne sichtbaren Zweifel. Wie musste das sein, solch eine Sicherheit in dem zu verspüren, was man zu tun hatte?
Nach allem Dafürhalten waren unsere Reiche verloren. Nur ihre Idee, ihre Hoffnung, hier Hilfe zu finden, gab uns eine dünne Chance, uns gegen das Schicksal aufzubäumen, das andere, weitaus mächtigere Reiche bereits erlitten hatten.
18. Tee und Diplomatie
Als wir die Botschaft der Reichsstadt betraten, fand ich die Lage unverändert vor. Die beiden Wächter – neue Gesichter, nicht jene, die mich noch vor wenigen Tagen so misstrauisch angesehen hatten – grüßten uns freundlich.
Der linke Wächter, ein kräftiger junger Mann, dessen Name wohl Jerewan lautete, wenn die mysteriöse Schrift auf seinem Brustpanzer recht hatte, bat uns kurz zu warten. Wenige Minuten später eilte ein junger Mann auf uns zu. Er war in braune Leinenhosen, die in kniehohen Stiefeln mündeten, und ein weißes Leinenhemd gekleidet. Sein glatt rasiertes Gesicht und seine kurzen Haare erschienen mir einen Moment lang fremd, so sehr hatte ich mich an die allgegenwärtige Barttracht in Bessarein gewöhnt. Er verbeugte sich vor uns, eine knappe kurze Geste.
»Mein Name ist Hillard«, sagte er und zeigte beim Lächeln seine perlweißen Zähne. »Ihr seid die Gesandte des Königreiches Illian?« Leandra nickte. »Dann seid Ihr Lanzengeneral von Thurgau. Willkommen in der Gesandtschaft der Reichsstadt Askir. Meine Aufgabe ist es, euch in allen Dingen zur Seite zu stehen und eure Fragen zu beantworten. Der Botschafter ist noch in einer Audienz, aber er hat gleich Zeit für euch. Ich führe euch zu ihm.«
Er
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