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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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kehrt, kam zurück und schloß ihn in die Arme.
    »Du bist ein guter Kumpel, alter Junge«, sagte Alexander.
    »Du auch, und wie!«

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ZWANZIG
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    Das Land dunkelte unter einem Himmel, der mit einem gelblichen Dunst überzogen war und noch hell schien. Die Gebäude, die Bäume und Sträucher hatten ihre Farben verloren und unterschieden sich nur in den Tönen dessen, was nicht mehr grün, grau oder braun war; unbestimmte Schatten begannen sich um sie auszubreiten. Die Ahnung einer Brise ging durch die Luft und brachte die trockenen Blätter zum Rascheln, aber es war noch immer unerträglich heiß und schwül. Am Horizont rumpelte und grollte der Donner wie Artillerie-Sperrfeuer in einem Krieg, der niemand im mindesten interessierte. Fahles Wetterleuchten zuckte dort. Soviel Feuchtigkeit hing in der Atmosphäre, daß menschliche Stimmen im Freien hohl klangen und nicht weit trugen. Ein süßlicher, fauliger Geruch trieb umher, zusammengesetzt aus dem Duft trockenen, von Mensch und Tier zertrampelten Grases, abgefallenen Blütenblättern und einem zum Kochen benutzten Gewürz, einen Augenblick flüchtig und kaum deutbar, im nächsten so stark, daß man sich unwillkürlich nach der Quelle umsah. Die winzigen, von wollig weißen Harrbüscheln umgebenen Samenkörner der Weiden schwebten durch die Luft, bisweilen von einer Brise erfaßt und wirbelnd davongetragen, leichter als Schneeflocken.
    Für den Soldaten Lomow, der mit raschen Schritten die sanfte Steigung zum Hauptgebäude des Kasernenkomplexes hinaufging, hatte dies alles eine unwirkliche Qualität, obwohl ihm nicht eingefallen wäre, es so auszudrücken. Der rauhe Stoff seines Kragens, feucht von Schweiß, rieb an seiner Haut, und das Zaumzeug der Pferde klirrte und knarrte leise. Alle fünf schüttelten den Kopf und schlugen mit dem Schweif nach den Bremsen und Stechfliegen, die sie umschwirrten. Lomows Tragtier wieherte scharf ohne einen erkennbaren Anlaß, und er hob mechanisch die Hand und streichelte beruhigend die Stirn des Tieres. Niemand sprach.
    Der Trupp erreichte eine ebene Fläche nahe dem Haus. Hier, wo eine Reihe wuchernder Lorbeerbüsche einen gewissen Sichtschutz bot, machten sie halt. Lomow blieb bei den Pferden, während die anderen beiden durch einen Seiteneingang das Haus betraten.
    Begleitet vom Gefreiten Ljubimow, erreichte Alexander das Treppenhaus und die Tür zur Waffenkammer im Kellergeschoß, bewacht von einem Posten und einem Gefreiten, einem untersetzten Moskowiter mit berechnenden braunen Augen. Gut, dachte Alexander, während er die Schaustellung von Gewissenhaftigkeit beobachtete, mit welcher der Gefreite die Fotografie auf dem vorgezeigten Dienstausweis mit dem wohlvertrauten Gesicht seines Eigentümers verglich. Er mimte Zufriedenheit und wartete auf die nächste Phase des vorgeschriebenen Rituals, die Übergabe einer Vollmacht. Als diese auf sich warten ließ, nahm sein Gesicht zuerst einen erstaunten, dann einen besorgten Ausdruck an. Alexander wartete zehn Sekunden, dann sagte er mit forscher Munterkeit:
    »Bitte, machen Sie auf!«
    Akutes Unbehagen malte sich in den Zügen des Gefreiten. »Bitte gehorsamst, Herr Fähnrich, meine Anweisungen lauten ausdrücklich, daß ich niemanden ohne Vollmacht einlassen darf.«
    »Mein Auftrag beansprucht Priorität gegenüber dieser Bestimmung«, sagte Alexander freundlich wie zuvor. »Vorübergehende Entnahme von Waffen zum Zweck einer Alarmübung. In einem wirklichen Notfall wird es mit größter Wahrscheinlichkeit keine schriftlichen Befehle und Vollmachten geben. Ich habe meine Anweisungen mündlich direkt vom kommandierenden Offizier! Los jetzt, Mann!«
    Der Gefreite hatte schon während Alexanders Rede langsam und bekümmert den Kopf geschüttelt. »Ich bitte um Vergebung, Herr Fähnrich, aber ich bin dazu nicht ermächtigt«, sagte er, heiser vor Erregung.
    Alexander war darauf vorbereitet. Grimmig starrte er dem Mann in die Augen; er hatte es oft vor einem Spiegel erprobt und wußte, daß er bedrohlich aussah, sogar ein bißchen wütend. Ohne den Blick abzuwenden, nahm er den Hörer vom Telefon auf dem Tisch zwischen ihnen und stieß mit dem Finger in die Richtung der Knöpfe. Dann wartete er.
    »Valentin, hier Alexander. Ist der Oberst noch da?«
    Er starrte unverwandt auf einen Punkt an der Decke, während er lauschte, oder zu lauschen schien. Nach einer halben Minute bedankte er sich kurz, legte auf, blickte auf die Armbanduhr und starrte wieder den unglücklichen

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