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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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geheimnisvolle Warnung. Mit der guten Hälfte meiner Gedanken war ich bei Frau Korotschenko, und so nahm ich an, daß er mich vor ihr warnte – kein schlechter Rat, wenn man es genau betrachtet – und die Sache geheimnisvoll machte, weil ihm der Gegenstand peinlich sei. Aber dann sagte er etwas, was mir jetzt erst aufgefallen ist. Als ich ihm – ganz unzutreffend, verstehst du – sagte, daß ich natürlich seiner Meinung folgen und sie fallen lassen würde, antwortete er sinngemäß, er sei froh, daß ich rechtzeitig aussteige. Bevor was geschieht? Nun, mit Frau K. ist es so: hast du dich einmal mit ihr eingelassen, was zugegebenermaßen als eine Dummheit und in gewissem Sinne auch als unwiderruflich angesehen werden kann, kriegst du bloß mehr vom selben, das heißt, es ist eigentlich nicht dasselbe, aber ziemlich ähnlich. Also wäre es nur dann zu spät, wenn ich mit ihr wegliefe, etwas von der Art, was ich – unnötig zu sagen – niemals in Erwägung zog. Oder wenn ihr Plan für unser nächstes Zusammentreffen in die Richtung gegangen wäre, daß ich ihr beim Bumsen den Kopf abschneide – was mich übrigens nicht völlig überraschen würde –, aber ich sehe nicht, wie Oberst Tabidze hätte davon gehört haben sollen. Und dann – Ja! Danach plauderten wir ein paar Minuten mit seiner Frau, und er sagte, wir zwei hätten ein gutes Gespräch gehabt, und sie hatte keine Ahnung, worum es dabei gegangen war. Du hast die beiden nur ein paar Mal gesehen, aber kannst du dir vorstellen, daß er mich vor Frau K. warnt, ohne daß seine Frau davon weiß? Sie wäre nicht nur im Bilde gewesen, sondern hätte ihm wahrscheinlich eingetrichtert, was er zu sagen hätte. Nein, er tat so geheimnisvoll, weil er mir unter großem eigenen Risiko ein tödliches Geheimnis anvertraute, der alte Idiot. Und das Geheimnis ist nicht, daß sie über mich Bescheid wissen, obwohl das auch möglich ist. Nein, Theodor, das Geheimnis ist, daß sie den Zeitpunkt kennen. Sie wissen, daß es Sonntag losgehen soll.«
    Sie waren wieder vor dem Jolly Englishman angelangt, aus dem wie zuvor professionell simulierter amateurhafter Gesang erscholl. Theodor glaubte auch ein fernes Donnergrollen zu vernehmen. Er blickte ein wenig zerstreut zu einem vorbeigehenden Paar, dann wieder zu Alexander. Was machte den Burschen unter diesen entmutigenden Umständen so fröhlich? Was brachte ihn in diese offensichtliche Hochform, als sei er Herr der Lage? Verstand man dies darunter, wenn man sagte, jemand wachse in einer Krise über sich selbst hinaus? Wie konnte er das wissen? – hatte er doch nie in einer Krise gesteckt. Hilflos sagte er:
    »Was sollen wir tun? Aufgeben?«
    Nach kurzem Zögern erwiderte Alexander mit heftiger Entschiedenheit: »Nein, das können wir jetzt nicht tun. Ich gebe dir einen Rat: Geh mit dieser Liste zum ranghöchsten Mitglied der Organisation, dessen Name nicht darauf steht! Ich bin ziemlich sicher, daß es sich um einen Schwindel handelt, aber wir dürfen das Risiko nicht eingehen, jedermann sehen zu lassen, wer darauf steht, wie etwa Sevadian. Wenn ich Tabidzes Rede richtig einschätze, dann haben sie beschlossen, unsere Aktion abzuwarten, damit wir uns selbst enttarnen und belasten. Da kann es für uns nur eins geben: die Initiative ergreifen, indem wir unerwartet losschlagen. Das ändert freilich nichts an dem ständigen Risiko, daß sie es sich anders überlegen und uns vorher kassieren. Das kann jeden Augenblick geschehen.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Ich verlege die Stunde Null um zweiundfünfzig Stunden vor. Wir sehen uns dann um sieben Uhr am Treffpunkt.«
    Theodor schnappte förmlich nach Luft. »Du – du bist verrückt! Wie sollte ich die Leute rechtzeitig verständigen? Und was wir hier machen, ist nicht die einzige Revolution, weißt du. Selbst wenn wir …«
    »Darum solltest du dich lieber beeilen, nicht?«
    »Aber das ist … Wie groß, meinst du, ist meine Chance?«
    »Ungefähr gleich Null. Aber ich muß es versuchen. Andernfalls haben wir überhaupt keine Chance.«
    »Vorausgesetzt, daß all deine Folgerungen richtig sind. Warte wenigstens, bis wir jemanden konsultiert haben.«
    »Ich habe mich entschieden.« Alexanders Haltung hatte sich zu unbeirrbarer Halsstarrigkeit versteift. »Das ist der einzige Weg.«
    Er reckte die Schultern und ging zu seinem Pferd. Theodor, ungewiß, furchtsam und auch aufgebracht, konnte sich dennoch nicht enthalten, ihm »Viel Glück« nachzurufen. Alexander machte sofort

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