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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Vielleicht. Lomow versuchte es zu verdrängen.
    Donner, viel näher jetzt, polterte hinter ihnen durch den Himmel. Nicht lange, und sie würden bis auf die Haut durchnäßt sein, dachte er bei sich; der leichte Umhang, den jeder Mann zusammengerollt hinter dem Sattel mit sich führte, bot keinen ausreichenden Schutz gegen einen Platzregen, wie er jetzt zu erwarten war. Als er zu den grasenden Pferden, den Gruppen der dienstfreien Männer und den im Gelände verstreuten Gebäuden blickte, konnte er nicht glauben, daß er im Begriff war, den Ort zu verlassen, der in den vergangenen drei Jahren seine Heimat gewesen war und den er nun sehr wahrscheinlich niemals wiedersehen sollte. Ohne Zweifel war diese Ungläubigkeit der Grund dafür, daß solche Zukunftsaussichten ihn nicht mit Bedauern erfüllten. Vielleicht lag es auch an der Aufregung. Er nahm an einer Operation teil, die ihm nur in Umrissen beschrieben worden war, und er hatte selbst diese Beschreibung nicht in allen Teilen verstanden. Andere Teile hingegen waren klar genug gewesen, um in jedem halbwegs vernünftigen Menschen Furcht zu erzeugen. Andererseits empfand er das Unternehmen als ein erregendes Abenteuer; bis vor wenigen Minuten hatte er sein ganzes Leben (er war dreiundzwanzig) im ewigen Einerlei des Zeittotschlagens verbracht, hatte gewartet, daß irgend etwas geschehe. Nun, jetzt hatte etwas angefangen. Hätte er anders darüber gedacht, so wäre er in diesem Augenblick nicht, wo er war. Wie Ljubimow über die Sache dachte, war eine ganz andere Geschichte. Er war unberechenbar. Ein guter Soldat, dieser Ljubimow, ein guter Unterführer und ein guter Freund, aber mit einer Neigung zur Unberechenbarkeit. Impulsiv auch.
    Mit lautem Hufgeklapper ging es im Schritt durch das Tor, über die Straße und in östlicher Richtung geradeaus weiter. Alexander ließ traben. Kurz danach krachte über ihnen ein plötzlicher Donnerschlag; das Geräusch ähnelte dem Zerreißen einer riesigen Zeltbahn. Alle Pferde schreckten heftig zusammen, und Ljubimows Tragtier bäumte sich auf; da ihm die beruhigende Gegenwart eines Mannes auf seinem Rücken fehlte, konnte man es ihm kaum verdenken. Noch immer fiel kein Regen, obwohl das Licht ständig schlechter wurde. Sie waren ungefähr einen Kilometer weit einem Feldweg gefolgt, als Alexander den rechten Arm hob und nach vorn zeigte: »Folgen!« – ein gesprochener Befehl wäre im mittlerweile unaufhörlich rollenden Donner ungehört geblieben. Er trieb seinen Rappen zum Galopp und setzte mit Leichtigkeit über den niedrigen Zaun einer großen Weidefläche. Sobald die anderen aufgeschlossen hatten, gab er das Signal zum Halten, ließ absitzen. Er führte das Pferd am Halfter zu Ljubimow. Für die folgenden Befehle waren Worte vorzuziehen, vorausgesetzt, sie waren zu hören.
    »Nummer Eins aufbauen!« brüllte er.
    »Nummer Eins aufbauen, zu Befehl.« Ljubimow wandte sich zu seinem Packsattel, um die Verschnürungen zu lösen.
    »Richtung West sechs!«
    Diesmal blieb die Bestätigung aus.
    »Richtung West sechs, habe ich gesagt! Können Sie nicht hören, Mann?«
    Ljubimow wandte den Kopf über die Schulter und brüllte zurück: »In der Richtung ist das Regiment, Herr Fähnrich. Ist das das Ziel?«
    Die Antwort ging größtenteils im Donnerkrachen unter, aber ihre Linie war klar: dem Befehl sei Folge zu leisten und keine Fragen, basta! Eine kurze Pause trat ein. Die umgebenden Felder lagen im flackernden fahlen Licht unaufhörlich zuckender Blitze. Plötzlich warf sich Ljubimow herum und zielte mit seiner Maschinenpistole aus dem Hüftanschlag auf Alexanders Bauch. Als nächstes drückte er einen Bolzen vor dem Abzug und stellte die Waffe damit von Einzelfeuer auf Dauerfeuer um. Ein Signal, daß er sich nicht damit begnügen würde, ihn zu verwunden und wogmöglich zu töten, sondern daß er aufs Ganze gehen und ihn notfalls zerfetzen würde. Alexander verstand das gut genug. Schließlich brüllte Ljubimow:
    »Tut mir leid, Herr Fähnrich, aber das tue ich nicht, und ich werde auch nicht zulassen, daß Sie es tun. Bist du mit mir, Lomow?«
    »Ja!«
    »Führen Sie meine Befehle aus!« schrie Alexander.
    »Tut mir leid, Herr Fähnrich. Wir jagen Vanag und seine Leute in die Luft, wenn Sie es wollen, aber wir lassen nicht zu, daß unsere eigenen Kameraden zu Schaden kommen. Machen Sie sich das klar!«
    Alexander wütete und tobte fünf Minuten lang. Sein Hauptthema war, daß die beiden sich nicht aus Kameradschaftsgefühl oder

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