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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Gefreiten an, diesmal mit leicht herabgezogenen Mundwinkeln. Eine weitere Pause trat ein. Endlich sagte er in bedeutungsschwerem, unheilverkündendem Ton: »Zwei Stunden Zeit« und stemmte mit bedächtiger Langsamkeit die Hände in die Hüften. »Was meinen Sie, wird dann mit Ihnen passieren?«
    Wäre der Gefreite klüger gewesen, hätte Alexander das Erwartete getan und ihn angeschrien, hätte er auf die Unterstützung seines eigenen Offiziers bauen können, hätte man jemals gehört, daß irgend etwas geschehen wäre, was die Sicherheitsbestimmungen rechtfertigte, wäre er vor allem ausgebildet gewesen, so gründlich auf der strikten Beachtung stehender Befehle zu beharren, würde er dem Druck vielleicht widerstanden haben. So aber zögerte er nur kurz, bevor er sagte:
    »Zu Befehl, Herr Fähnrich. Bitte machen Sie kehrt! Sie auch, Gefreiter!«
    So erfuhren die Eindringlinge zumindest nicht die geheime Nummernkombination, die sie nun nicht mehr benötigten.
    Eine Viertelstunde später schoben sie einen schwerbeladenen Handkarren den Weg zurück, den sie gekommen waren. Dieses Stück war der gefährlichste Teil des ganzen Unternehmens: ihre Ladung war mit einer wasserdichten Plane zugedeckt, aber der Handkarren bedeutete Waffen, die unter Sicherheitsverschluß lagerten, und solche wurden selten transportiert, und niemals ohne eine starke Eskorte. Eine Regung entschlossener Wißbegierde wäre zuviel gewesen, aber sie blieb aus; die Eindringlinge schoben den Karren mühsam die Rampe der Ausfahrt hinauf, nachdem sie das Stahltor von innen geöffnet hatten, gelangten unangefochten ans trübe Tageslicht und hielten auf die wartenden Pferde zu. Die Metallräder des Karrens klapperten über die grasbedeckten Unebenheiten des beinhart ausgetrockneten Bodens.
    Als sie näher kamen, spähte Lomow ihnen entgegen und dann mit zusammengezogenen Brauen an ihnen vorbei. »Haben Herr Fähnrich den Mann gesehen, der eben mit ihnen herauskam? Wer war das?«
    »Mit uns? Mit mir?«
    »Mit Ihnen, Herr Fähnrich. Dieser Mann.«
    »Welcher Mann?«
    »Nach ein paar Schritten drehte er um und ging zurück ins Haus. Ich sah ihn.«
    Ljubimow wollte etwas sagen, aber Alexander winkte ab. »Wie sah er aus, Lomow? War er einer der unsrigen?«
    »Nein, Herr Fähnrich. Er war … er war Zivilist.«
    »Was noch? Wie war er gekleidet? War er ein englischer Bediensteter? Ein Gärtner?«
    »Ein Zivilist war er, Herr Fähnrich. Ich sah ihn nur einen Augenblick lang.«
    »Nichts hast du gesehen, du dummer Bauerntölpel«, sagte Ljubimow in gutmütiger Geringschätzung. »Wo hast du die Flasche versteckt?«
    Lomow beachtete ihn nicht; mit einem seltsamen Ausdruck sah er Alexander an. »Ist etwas nicht in Ordnung? Fühlen Herr Fähnrich sich nicht wohl?«
    »Reden Sie kein dummes Zeug, Mann!« knurrte Alexander, dessen freundlich-nachsichtige Haltung auf einmal wie weggeblasen war. »Versuchen Sie nicht, Ihre Spielchen mit mir zu treiben, Sie Pfeife, oder ich breche Ihnen das Kreuz! Halten Sie jetzt den Mund und helfen Sie ausladen!«
    Das war rasch geschehen. Ein Abschußgerät mit Zieleinrichtung und Zubehör wurden auf einer Seite jedes Packsattels festgezurrt, die Projektile mit ihren rotgestrichenen Spitzen auf der anderen. Da er Polly an diesem Tag bereits hart geritten hatte, hatte Alexander sein sonst von der Ordonnanz gerittenes Ersatzpferd genommen, einen großen Rappenhengst, der nichts von Pollys sanfter und freundlicher Natur hatte, aber kräftig und ausdauernd war und viel Mut besaß. Vorher hatte es auf der Pferdekoppel ein gefühlsbetontes Abschiednehmen von Polly gegeben; zwar hegte Alexander keine bestimmten Befürchtungen, sie nicht wiederzusehen, aber man konnte nie wissen, und es war ein gutes Gefühl.
    Im Schritt zogen sie hinunter zum Haupttor, zuerst Alexander, hinter ihm Ljubimow und dann Lomow. Lomow war aufgeregt und ängstlich, aber darunter bewegte ihn eine tiefere, vernunftwidrige Furcht. Wegen der schlechten Lichtverhältnisse hatte er nicht viel von der Gestalt sehen können, die ein halbes Dutzend Schritte aus dem Haus gekommen und dann wieder hineingegangen war. Er hatte einen flüchtigen Eindruck von extremer Magerkeit und enorm vielen Zähnen gehabt. Vielleicht hatten die anderen beiden den Fremden nicht bemerkt, weil er tatsächlich nicht neben ihnen, sondern hinter ihnen gegangen war, vielleicht um ihnen etwas zu sagen oder sie etwas zu fragen, sich dann aber eines anderen besonnen und wieder entfernt hatte.

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