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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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ihn einen Gelbschnabel genannt hatte (sie war nach seinem Dafürhalten viel zu alt und zu häßlich, als daß es ihn gekümmert hätte, wie sie über ihn dachte); das in ihm wachgerufene Gefühl war, wenngleich heftig, sehr viel unpersönlicher. Der Augenblick kam ihm jetzt wieder ins Gedächtnis, weil der letzte Teil des Dialogs die gleiche Feindseligkeit hervorgerufen hatte, mochte er auch selbst dazu beigetragen haben. Was war es, das er so verdrießlich fand? Hatte es mit Stil zu tun, mit Absicht, mit dem Gedanken, dem Leben entzogen und in eine … eine komische Geschichte hineingestopft zu werden? Ein Gesellschaftsspiel? Aber warum sollte das wichtig sein? Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte Alexander sich aufrichtig mehr Wissen und besseres Denkvermögen.
    Im Salon war das Kartenspiel gerade zu Ende gegangen. Korotschenko und Frau Tabidze teilten sich die Einnahmen mit Gewinn von ungefähr 10.000 Pfund für jeden, genug für eine Flasche Spirituosen von guter Qualität und eine Fünferpackung Zigaretten. Zu Alexanders großer Überraschung befanden seine Mutter und Frau Korotschenko sich in lebhafter Unterhaltung; vielleicht hatte sein improvisiertes Geschwätz über Schüchternheit in einer größeren Gesellschaft zufällig in die Nähe des Schwarzen getroffen. Nina klatschte in die Hände, um die allgemeine Aufmerksamkeit zu gewinnen und verkündete, daß Herr Markow einige der englischen Lieder spielen und singen werde, die er im Laufe seiner Forschungstätigkeit für die Kulturkommission kennengelernt habe.
    Theodor brachte pflichtschuldig eine Darbietung von einem halben Dutzend Stücken zu Gehör, die alle kurz waren, unter zwei Minuten. Er zeigte sich im Besitz von genug oder mehr als genug spielerischer Technik und Phantasie für die täuschend einfachen Stücke und hatte dazu eine angenehme Baritonstimme. Wie der Zufall es wollte, war das Klavier von Feuchtigkeit freigeblieben und nicht allzu grotesk verstimmt. Von denen, die überhaupt bemerkten, daß es verstimmt war (beide Korotschenkos waren ohne musikalisches Gehör), sahen einige, wie Nina, darin eine reizvolle Kongruenz mit der fremdartigen Musik, während andere, wie Elizabeth, argwöhnten, daß Markow irgendwie die Tonlagen verzerre, um größere Wirkung zu erzielen. Alle Lieder wurden gut aufgenommen, und man war sich einig in dem Urteil, daß das letzte der Serie das Beste gewesen sei. Obwohl die Struktur auch hier einfach war und aus zwei verwandten Stimmführungen bestand, die einander begleiteten und jede einmal wiederholt wurden, gelang es Theodor, eine Mischung von Lebhaftigkeit und Melancholie in die Musik zu bringen, die sie diesem russischen Publikum bei aller Unvertrautheit des Ausdrucks wiedererkennbar machte. Beifallsrufe und Applaus folgten dem letzten triumphalen Akkord.
    »Sehr erfreulich«, sagte Frau Tabidze. »Aber könnten Sie diese Lieder ein wenig erklären, Herr Markow? Ich fürchte, mein Englisch ist weit davon entfernt, was es sein sollte. Was bedeutet: locked ’em in the Old Kent Road?«
    »Tatsächlich heißt es knocked ’em … Also schlug sie oder warf sie um. Die Texte sind mehr oder weniger obskur, bestehen weithin aus Slang oder, genauer gesagt: Argot. Meine Theorie … aber sicherlich möchten Sie nicht, daß ich Ihnen zu dieser späten Stunde meine Theorie darlege.«
    Seine Zuhörer versicherten ihm, daß ihnen nichts lieber wäre.
    »Der Komponist und Textdichter war ein gewisser Albert Chevalier. Nun war die französische Gemeinde in London niemals sehr groß; sie war hauptsächlich auf das Lebensmittel- und Gastgewerbe beschränkt. Aber diese Gemeinde scheint einen starken inneren Zusammenhalt gehabt zu haben und wurde niemals von den traditionell fremdenfeindlichen Engländern assimiliert. Ich halte dies für ein Trotz- oder Hohnlied, eine Bekräftigung französischen Stolzes und französischer Unabhängigkeit im Herzen eines fremden Landes, in der historischen, durch und durch englischen Landstraße nach Kent.«
    »Aber es ist ein englisches Lied«, sagte Elizabeth.
    »Es wurde eins. Die Engländer haben große Teile ihrer Kultur zu allen Zeiten importiert oder im Laufe längerer Prozesse übernommen, bis zum Ende. Während des Vaterländischen Krieges von 1941 bis 1945, als sie und die Hitlerdeutschen einander für einige Zeit mit erbitterter Feindseligkeit bekämpften, einer Feindseligkeit, die, wie Sie alle wissen, mehr als einmal zu bewaffneten Auseinandersetzungen wie den beiderseitigen

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