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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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sollten Sie mir das sagen?«
    »O ja, warum nicht? Sollte es jemand geben, der mit dem Gedanken umgeht, ob es eine gute Idee sei, uns zu bekämpfen oder zu neutralisieren, dann ist es für alle Beteiligten nur von Vorteil, wenn er die Feuerkraft kennt, der er sich gegenübersehen würde. Es ist offizielle Politik, in diesen Angelegenheiten nicht allzu geheimniskrämerisch zu sein.«
    »Angenommen, ich wäre eine solche Person? Könnte ich nicht versuchen, eines oder mehrere von Ihren Projektilen zu stehlen?«
    »Falls Ihnen das gelänge, was wirklich sehr unwahrscheinlich sein würde, wäre es Ihnen dennoch unmöglich, das Geschoß scharfzumachen, zu zielen und abzufeuern, weil Sie die notwendige Spezialausbildung nicht haben, an welche äußerst schwierig heranzukommen ist. Sie könnten mit einem unserer Projektile auch dann nichts anfangen, wenn Sie das zugehörige Abschußgerät hätten.«
    »Das ist eine Erleichterung. Aber die ganze Sache ist eine schwere Verantwortung, nicht wahr, und Sie der jüngste Offizier. War es wegen …?« Er brach ab.
    Alexander lachte unbekümmert. »Meines Vaters Stellung? Nun ja, in gewisser Weise, obwohl es verwickelter ist. Es kann demnächst zu einer Umbesetzung kommen, wenn Viktor sich entschließt, seine Versetzung in die Heimat zu beantragen.«
    »Ist das so einfach? Heimatdienst auf Antrag?«
    »Nach zwei Jahren im Ausland, ja. In ein paar Monaten könnte auch ich den Wunsch äußern. Aber was das angeht, so habe ich bereits Heimatdienst: England ist meine Heimat.«
    »Dann haben Sie überhaupt nicht den Wunsch, zurückzukehren?«
    »Für mich wäre es keine Rückkehr, Theodor. Ich habe ungefähr ein Viertel meines Lebens in Rußland verbracht, und diese Zeit entfiel hauptsächlich auf meine ersten Kindheitsjahre und auf Besuche, die zu kurz waren, als daß ich mich hätte eingewöhnen können. Und wenn man in der Ausbildung ist, gewöhnt man sich am Standort nicht ein. Ich bin dort ein Fremdling; ich habe dort keine Verantwortlichkeiten.«
    »Sie sprechen, als ob Sie hier welche hätten, oder …«
    »Das denke ich doch. Wir alle haben sie, durch unsere Positionen in diesem Land.«
    »Daraus könnte man entnehmen, daß Sie den Engländern etwas schuldig seien. Ich frage mich, wieviel, und wie weit Sie gehen würden, dafür zu sorgen, daß diese Schuld zurückgezahlt wird.«
    »Es ist nicht einfach, zum ersten Teil Ihres Gedankens eine klare Aussage zu machen; eine Verpflichtung kann man nicht messen. Aber vielleicht wird ausreichen, was ich zum zweiten Teil sage. Ich würde so weit wie nötig gehen.«
    Theodor bemühte sich, ruhig zu atmen. Eine aus Freude und Furcht gemischte Erregung ergriff von ihm Besitz. In gewissem Sinne war dies der bisherige Höhepunkt seines Lebens; in einem anderen hätte er alles Gute, was ihm in der Zukunft widerfahren könnte, dafür gegeben, nicht zu sein, wo er jetzt war. Die Wärme war vergangen; sehr bald würde es ganz dunkel sein, und Leo und Viktor könnten ihr gefährliches Duellspiel beginnen. Er starrte auf das geflickte gelbliche Tischtuch, die Weinflasche mit ihrem pseudoeleganten Etikett, sein leeres Glas, Alexanders noch viertelvolles Glas, den rötlich purpurnen Bogen, wo Viktors unsicher gehaltenes Glas auf dem Tischtuch gestanden hatte. Diese Gegenstände und ihre Betrachtung hatten für ihn eine unheilvolle Qualität angenommen, als ob etwas Bevorstehendes – eine Explosion oder ein Erdbeben – im Begriff wären, sie ganz und gar zu verändern, wie Gegenstände in einem Traum, die mit ihrer sich wandelnden Bedeutung neue Gestalten annehmen. Eine halbe Minute verstrich, ehe ihm klar wurde, daß er auf ein Geräusch wartete – einen Schritt, das Schlagen einer Uhr –, die Stille zu unterstreichen. Diese Idee schien ihm absurd, aufgeblasen; er runzelte die Stirn und ergriff das Wort.
    »Sie erinnern sich an unser Gespräch vom gestrigen Abend, als ich Ihnen das Eingeständnis des Ehebruchs mit Frau Korotschenko abzuringen versuchte und Sie dazu brachte, daß Sie bereit waren, auf die Ehre und alles zu schwören, was Ihnen heilig ist.«
    »Und?«
    »Sie leisteten damit einen Meineid. Geht es dagegen um Ihr Ehrenwort, dem Major diesen Unfug mit den nächtlichen Schießereien zu verheimlichen, so halten Sie es. Sie deuteten an, daß Sie es gern melden würden, aber keinen Weg sähen, es zu tun, ohne in den Verdacht des Wortbruchs zu geraten. Erwarten Sie wirklich von mir, daß ich das glauben soll? Jemand von Ihrer niedrigen

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