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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Es ist eine gute Sache, daß die Armee zu dumm ist, deinen Wert zu erkennen, sonst würdest du zum Generaloberst befördert, und wir würden dich nie wiedersehen.«
    Boris bedachte Alexander mit einem halb dankbaren und halb belustigten Blick, der in Viktor das Verlangen weckte, jeden von ihnen in den Hintern zu treten. Das Dumme war, daß Alexander schmerzhaft zurücktreten und Boris nichts tun würde als sich in vornehmer Großmut abzuwenden. Glücklicherweise war nicht Zeit genug, daß diese Gefühle weiter in ihm fressen konnten, denn gerade in diesem Augenblick brachte ein Wachsoldat einen Gast zum Vordereingang.
    Beim Betreten des Gesellschaftsraumes verbarg Theodor Markow mit Erfolg seine Befangenheit. In den meisten gesellschaftlichen Zusammenkünften von natürlicher Ungezwungenheit, hatte er frühzeitig die Erfahrung machen müssen, daß die Kulturkommission unter den Zivilisten der Verwaltung wenig liebenswürdige oder respektvolle Gefühle weckte, und seine Erfahrung im militärischen Bereich war noch nicht ausreichend, sich ein Urteil zu erlauben, ob man der Kommission hier mehr geneigt war oder nicht. Wie sich bald zeigte, hatte keiner der drei Offiziere, mit denen Alexander ihn bekanntmachte – der dritte war unmittelbar nach ihm gekommen –, mehr als eine höchst nebelhafte Vorstellung von der Arbeit der Kommission. Dieser dritte Offizier, Mitte der Zwanzig und bereits zur Korpulenz neigend, machte mit seinem schlaff hängenden Mund und der Gewohnheit, ihn ohne erkennbaren Grund zu einem mehr oder weniger spöttischen Lächeln zu verziehen, einen ziemlich unerfreulichen Eindruck. Alexander nannte ihn Leo und fügte hinzu, daß in der Offiziersmesse alle per du seien, ausgenommen natürlich der Major, und weil ein Mann Urlaub hatte und ein anderer als Offizier im Dienst an der Geselligkeit nicht teilnehmen konnte, war die Gesellschaft bald darauf komplett, wieder mit Ausnahme des Majors. Als dieser einige Zeit später eintraf, hatte er einen weiteren Zivilisten bei sich, dessen Name Theodor Markow bei der Vorstellung entging. Gastgeber und Gast waren bemerkenswert ähnlich anzusehen, beide klein und untersetzt, beide mehr oder weniger kahlköpfig, beide schnauzbärtig, der Gast jedoch auf der rechten Wange durch ein purpurnes Muttermal verunstaltet, welches dem Gastgeber fehlte. Keiner der beiden schien den vier jüngeren Männern viel zu sagen zu haben.
    Zum Abendessen wurde Markow zwischen Alexander und den Fähnrich namens Viktor placiert. Gefragt, wie er die Reise von Northampton gemacht habe, antwortete er wahrheitsgemäß, wenn auch vielleicht unnötig ausführlich, daß er mit einem der Fahrräder mit Hilfsmotor gekommen sei, die den Mitgliedern der Kulturkommission zu Erholungszwecken in geringer Zahl zur Verfügung stünden. Daraus entwickelte sich ein Gespräch über Energiepolitik und die Aussichten der Treibstoffversorgung. Alexander legte sich auf die Meinung fest, daß die neuen synthetischen Treibstoffe in der Herstellung unverhältnismäßig kostspielig seien, daß man in Moskau mit dem Latein am Ende sei und daß der Kraftverkehr bald vollends zum Erliegen kommen werde, wahrscheinlich schon bis zum Ende des Jahrzehnts, worin Viktor ihm zustimmte. Dies alles wurde offen und freimütig vorgebracht, wie es natürlich war und sogar erwartet wurde; niemand dachte sich heutzutage etwas dabei. Was Viktor betraf, so war er vielleicht nicht so sehr der gleichen Meinung, sondern fand es vielmehr zweckdienlich, durch aktive Teilnahme am Gespräch von dem Umstand abzulenken, daß er den gebotenen Getränken kräftiger zusprach als von seinem Vorgesetzten gebilligt werden konnte. Leo, der auf seiner anderen Seite saß, schien ähnlich zu denken, urteilte man nach den geringschätzigen Blicken, die er seinem Offizierskameraden zuwarf. Boris, der Intendanturoberleutnant, welcher die Ehre hatte, zur Linken des Majors zu sitzen, sprach wenig und trank noch weniger; Major Yakir war schweigsam und nickte hin und wieder zu dem, was sein Gast in leisem, für die anderen unhörbarem Ton sagte. Als die Ordonnanzen abgeräumt hatten, sagte Leo mit lauter, herausfordernder Stimme:
    »Hat jemand Lust zu einem Spielchen?«
    Es war Theodor Markow augenblicklich klar, daß diese Bemerkung nicht für bare Münze genommen werden durften, und daß es darauf ankam, ihre wahre Bedeutung vor dem Major zu verbergen. Ein Blick zu Alexander zeigte ihm, daß es sich empfahl, nichts zu sagen. Nach kurzem Stillschweigen

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