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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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Verschlagenheit, wie Sie es, glaube ich, ausdrückten? Nein, Sie hielten den Mund, weil Sie Ihr Ehrenwort gegeben hatten.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Alexander gereizt.
    »Ich möchte wissen, wie Sie den Widerspruch auflösen. Auf die Ehre Ihres Landes oder Ihrer Familie einen Meineid zu leisten, bedeutet Ihnen nichts, aber wenn es an Ihre eigene Ehre geht, scheinen Sie empfindlich zu sein.«
    »Sie sind eben ein Intellektueller, Theodor. Man muß ein Intellektueller wie Sie sein, um einen Widerspruch zu sehen, wo ein gewöhnlicher Mensch einen einfachen Unterschied sieht. Leiste ich einen Meineid auf die Ehre meines Landes, so tut es diesem nicht weh; es erfährt nicht einmal davon. Ich ziehe daraus insofern Nutzen, daß ich den Glauben anderer in meine Behauptung stärke und niemand darunter leidet. Wenn ich aber auf meine Ehre verspreche, nicht zu sagen, was ich weiß, und es dann doch tue, kommen Leute zu Schaden – durch strenge Disziplinarmaßnahmen –, und ich erleide bestenfalls einen Verlust an Wertschätzung. Und das ist ein Unterschied, wie Sie sehen.«
    »Ja, ich sehe.« Markow hatte so aufmerksam gelauscht, daß seine Pfeife darüber ausgegangen war; er brachte sie wieder in Gang. »Ich sehe, daß das sehr plausibel ist. Bis ich mich eines weiteren Unterschieds erinnere, nämlich zwischen der Möglichkeit, meinen Offiziersrang zu verlieren und der weniger wahrscheinlichen Möglichkeit, zu guter Letzt die Hälfte meines Kopfes zu verlieren. Dann sehe ich, daß es doch irgendwo einen inneren Widerspruch gibt.«
    »Wollen Sie sagen, ich sollte trotz allem zum Major gehen?«
    »Nein, ich will sagen, daß Ihnen der Umstand, bei Ihrer persönlichen Ehre genommen zu sein, mehr bedeutet als alles sonst. Darum glaube ich nicht, daß Sie ganz aufrichtig zu mir waren, als Sie vorhin sagten, Sie hätten bei diesem mörderischen Spiel aus Naivität stillgestanden, nachdem Sie Ihren Standort durch einen Ruf verraten hatten. In Wirklichkeit blieben Sie stehen, weil man Sie bei Ihrer Ehre genommen hatte. Ein Davonstehlen hätte Ihnen als Verrat erscheinen müssen.« Mit seiner Pfeife beschäftigt, übersah er den versteckten Blick und das leise Lächeln des anderen. »Und Sie ergriffen in jenem Augenblick die Flucht, weil Sie andernfalls bis zum nächsten Schußwechsel hätten stehenbleiben müssen, oder bis zum übernächsten, wenn es zu einem solchen noch gekommen wäre. Sehr vernünftiges Verhalten.«
    »Unsinn, Mann! Passen Sie auf, mir ist gerade etwas durch den Kopf gegangen, was Sie gestern abend sagten. Nachdem Sie mich wegen Frau Korotschenko vor Ihr Inquisitionstribunal gezerrt hatten, beglückwünschten Sie mich zu etwas wie Standfestigkeit im Feuer – vielen Dank dafür – und entschuldigten sich gleichzeitig, daß Sie es hätten tun müssen. Ich vergaß, Sie zu fragen, was, zum Teufel, Sie damit meinten.«
    »Sie werden bald sehen. Nun, Fähnrich Petrowsky, nehme ich Sie bei Ihrer Ehre, keinem Menschen zu sagen, was ich Ihnen anvertrauen werde. Nachdem ich Sie sorgfältig geprüft habe, weiß ich bereits, daß Sie eine hohe Widerstandskraft gegen gewöhnliche Verhöre haben, was selbstverständlich nichts über die Widerstandsfähigkeit gegen außergewöhnliche Verhöre aussagt. Ich bitte Sie nur um Ihr Wort, aus freien Stücken nichts zu sagen.«
    »Sie haben es. Sie haben auch meine Gratulation, nicht zur Standhaftigkeit unter Feuer, sondern dazu, daß Sie mich beinahe eine Minute lang die Geschichte von dem verhafteten Mädchen glauben machten.«
    »Nicht länger? Aber lassen Sie mich mit einer Frage anfangen. Vor einer Weile sagten Sie, Sie würden so weit wie nötig gehen, um den Engländern zurückzuzahlen, was Sie ihnen schuldig zu sein glaubten. Sollte Töten notwendig werden, würden Sie sich dazu hergeben?«
    »Ja«, sagte Alexander ohne zu zögern.
    »Auch wenn es Ihre Freunde hier betreffen würde? Den Major? Ihre Leute?«
    Diesmal dauerte es ein wenig länger. »Ja.«
    »Sehr gut. Ich lade Sie nun ein … Was war das?«
    »Ich habe nichts gehört.«
    »Wahrscheinlich war es nichts. Verzeihen Sie, Alexander, aber ich habe eine Abneigung dagegen, diese Dinge an Orten zu besprechen, wo man belauscht werden kann; es ist mir zur zweiten Natur geworden. Gibt es keinen anderen Ort, wohin wir gehen könnten? Ihre Schlafkammer?«
    »Die ist schon überfüllt, wenn ich allein darin bin. Wir könnten … Ah, ich weiß, wohin wir gehen könnten.«
    »Könnte ich vorher etwas trinken?

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