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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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wofür?«
    »Für die Revolution.«
    »Was wird es für die Revolution bewirken?«
    »Diskutiere nicht mit ihr, Theodor«, sagte Alexander. »Es wird zu nichts führen, und die Sache wird getan werden müssen, was immer der Einzelne davon halten mag.«
    Elizabeth blickte ihm fest in die Augen. »Einen wehrlosen Menschen zu erschießen, ist ein schreckliches Verbrechen, und daß du diesen Mann, deinen Vater, erschießen willst, ist abstoßend.« Sie war klug genug, nicht mehr von ihren Zweifeln an seiner Fähigkeit zu kaltblütigem Töten zu sprechen. »Du würdest deine familiäre Position schamlos ausnutzen, um an ihn heranzukommen, der nichts ahnt, und damit würdest du ihm keine Chance lassen. Und was hat er dir oder anderen jemals angetan, was die geringste Gewalttätigkeit gegen ihn rechtfertigen würde? Er hat dich immer gütig behandelt, vielleicht freundlicher, als es gut für dich war, aber ich bin bereit zu schwören, daß er dir niemals eine Verletzung oder Ungerechtigkeit zugefügt hat. Und so willst du es ihm vergelten!« Sie blickte weg und schwieg eine kleine Weile, um dann in verändertem Ton fortzufahren: »Ich liebe dich seit zwei Jahren, obwohl ich weiß, daß du ein Egoist und ein Betrüger bist. Jetzt sehe ich, daß du außerdem niederträchtig bist. Trotzdem liebe ich dich. Ich nehme nicht an, daß du dich mit dem Versuch plagen würdest, dir vorzustellen, wie das ist, also sage ich es dir lieber selbst: es ist die Hölle.«
    Sie brach plötzlich in Tränen aus, wandte sich um und lief zum Haus. Alexander brachte einen Hochruf aus und klatschte in die Hände, aber so leise, daß sie es nicht gehört haben konnte. Die anderen zwei hatten sich ein paar Schritte entfernt, und Theodor redete ernst und erklärend auf Nina ein, die aufmerksam lauschte und von Zeit zu Zeit nickte. Aber auch sie schien mit den Tränen zu kämpfen.

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SIEBZEHN
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    Die musikalischen Darbietungen, die Werke von Dowland, Purcell, Sullivan, Elgar, Noel Coward, Duke Ellington (von dem man meinte, er sei ein englischer Adliger gewesen), Britten und John Lennon zu Gehör brachten, entwickelten sich bei weitem nicht zu der Katastrophe, die Theodor in seinen Befürchtungen vorausgesehen hatte. Das Publikum blieb während des ganzen Programmes in guter Stimmung und applaudierte sogar nach mehreren Darbietungen. Freilich bereitete es den Veranstaltern auch eine Enttäuschung, da es vom Anfang bis zum Ende laut und ungeniert redete, ausgenommen die ersten fünf Minuten, als die Fremdartigkeit der Erfahrung die Leute beinahe zum Verstummen brachte. Jemand erklärte hinterher, man habe ihnen von dem Brauch, während solcher Vorführungen Stillschweigen zu bewahren, nichts gesagt; jemand anders meinte, es sei darum genauso gut gewesen. Die am folgenden Abend stattfindende Vorstellung von ›Blick zurück im Zorn‹ war ein Riesenerfolg. Nur selten konnte das Theater in vergangenen Zeiten von soviel Fröhlichkeit und herzlichem Gelächter erfüllt gewesen sein. Nach der Vorstellung wurden die Schauspieler von einer begeisterten Menge auf den Schultern durch die benachbarten Straßen getragen.
    Am folgenden Abend (Donnerstag) sollte die Inszenierung von ›Romeo und Julia‹, für deren Probenarbeit Alexander sich interessiert hatte, ihre Uraufführung erleben. Alexander traf rechtzeitig die nötigen Vorbereitungen, um an dieser Premiere teilzunehmen. Dazu gehörte, daß er durch inoffizielle Kanäle nicht nur eine Theaterkarte erstand, sondern auch einen Festanzug, der aus unerfindlichen Gründen ›Smoking‹ genannt wurde und mit einer Hemdbrust getragen wurde, an welcher eine kleine schwarze Krawatte befestigt werden mußte. Diese Kleidungsstücke waren wie die Kirchenkleider eigens für den Anlaß angefertigt worden. Außerdem ließ er sich vom Dienstpersonal Blumen aus dem Garten zu einem großen Bukett binden und veranlaßte dessen Lieferung zum Theater. Vor einigen Tagen noch hätte er solche Bemühungen wahrscheinlich als allzu lästig abgelehnt und lieber auf den Theaterbesuch verzichtet, aber das allmähliche Erkalten seiner Leidenschaft für Frau Korotschenko, eine Folge ihrer Überredungsversuche in der Sache ihrer Tochter, hatte seinem Interesse erlaubt, in andere Richtungen zu schweifen.
    Er zog sich in Theodors Büro um, trank im ›Marschall Stalin‹ in der St. John’s Street einen Schoppen Bier und verspeiste dazu ein belegtes Brot mit Käse und Gewürzgurke, und schlenderte dann um die Ecke zum Theater.

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