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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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mit gekochten Rüben und Kompott aus Fallobst genossen hatten. Nach einer weiteren Pause wurde die Beleuchtung im Zuschauerraum gedimmt.
    Ein dickbäuchiger alter Mann trat aus dem Vorhang auf die Bühne. Sein bemaltes Gesicht und die Kleider, die man sich kaum als den Aufzug irgendeines Bewohners der realen Alltagswelt vorstellen konnte, legte in Verbindung mit den äußeren Umständen den Schluß nahe, daß man es hier mit einem Schauspieler zu tun hatte. Applaus, angeführt von einer kleinen Claque, begrüßte ihn, und er verneigte sich. Eine Bestätigung seines schauspielerischen Status’ lieferte alsbald seine Sprechweise, die von monotoner und unnatürlicher Art war, und am Ende jeder Verszeile absank. Bald hatte er seinen Vortrag beendet und zog sich unter erneuertem Applaus zurück. Der Vorhang hob sich.
    Ein lautes Seufzen freudiger Überraschung erhob sich aus dem Publikum. Das Staunen war verständlich: Bühnenbild und Kulissen waren das Werk eines russischen Künstlers, dessen Auftrag gelautet hatte, das Verona des sechzehnten Jahrhunderts in einer Art und Weise darzustellen, die von den Engländern des einundzwanzigsten Jahrhunderts verstanden werden konnte und sie ansprechen würde. (Er hatte das Stück gewissenhaft in einer neuen Übersetzung gelesen und manche Note hineingebracht, die der Shakespeareschen Gedankenwelt, wie er sie sich vorstellte, entsprachen.) Zwei mit Degen bewaffnete Männer, noch phantasievoller gekleidet als ihr Vorläufer, kamen auf die Bühne und führten ein kurzes Gespräch. Zwei weitere Männer folgten. Die Aufmerksamkeit des Publikums, anfangs von der schieren Fremdartigkeit des ganzen Theatergepränges in den Bann geschlagen, wurde nun durch die aufregenden Kämpfe gefesselt, die geschickt arrangiert und gründlich eingeübt worden waren, sodann von der überwältigenden Pracht der Kleider, die vom Prinzen und seinem Gefolge getragen wurden. Der Dialog zwischen Montague und Benvolio war vom Regisseur beinahe auf ein Nichts zusammengestrichen worden; der gutaussehende junge Mann, der den Romeo spielte, war ein schauspielerisches Naturtalent, dessen vollendete Beherrschung von Mimik und Gestik die meisten Zuschauer in die Lage versetzte, die ungefähre Bedeutung jener Passagen zu erraten, die er selbst verstand, und wurde allgemein als harmlos und gutartig empfunden.
    Alexander hatte sich natürlich nicht der Mühe unterzogen, die im Programmzettel abgedruckte Zusammenfassung zu lesen (eine unnötige Herausforderung seines Englisch, um nur einen Grund zu nennen), und so war er beinahe überrascht, als kurz nach Beginn der dritten Szene die große dunkelhaarige Gestalt Sarah Harlands auf die Bühne schritt. Sie trug ein blauweißes Kleid, das ihr wunderbarerweise sowohl paßte als auch stand, und insgesamt sah sie noch schöner aus als er sie in Erinnerung hatte. Nachdem sie ein paar kurze Bemerkungen gemacht hatte, schwatzten zwei andere Frauen eine Weile; sie trat zur Seite, dem Publikum zugekehrt und sofort fiel ihr Blick auf ihn – so bildete er es sich wenigstens ein. Wenn sie ihn gesehen hatte, dann ließ die Verdüsterung ihrer Miene Schlechtes für seine Chancen nach der Vorstellung erwarten, Chancen, die eine weitere Verringerung erfuhren, als er den Blick seitwärts wandte und zu seiner Überraschung gerade in Kitty Wrights Augen sah. Sie und ihr Vater saßen ihm so nahe, daß er sich wunderte, sie nicht vorher schon bemerkt zu haben. Sich an Sarah heranzumachen, ohne daß Kitty etwas bemerkte, versprach schwierig zu werden, aber es mußte getan werden. Ein altes Sprichwort sagte, daß der Spatz in der Hand besser sei als die Taube auf dem Dach, und selbst ein im Umgang mit Frauen bei weitem weniger erfahrener Mann wußte nur zu gut, daß jede Form von Untreue, und wenn sie sich nur als entfernte Möglichkeit abzeichnete, die Frauen zu wütenden Gefühlsausbrüchen trieb, in traurigem Gegensatz zu seiner eigenen Einstellung, daß sie tun konnten, was sie wollten, vorausgesetzt, sie waren verfügbar, wann immer er sie wollte. (Dies mag jedenfalls seine nach außen vertretene Ansicht gewesen sein; erfuhr er in der Praxis von solchem Verhalten, so pflegte er in wütender Raserei hinauszustürmen, es sei denn, etwas anderes war zur gleichen Zeit erhältlich.)
    Das Publikum hatte einige Mühe mit dem Gefasel der Wärterin über den Johannisabend, das der Bearbeiter dieser Bühnenfassung nicht zu kürzen gewagt hatte, weil die Sachverständigen ihn davor gewarnt hatten.

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