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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zusammenbrechen. Das sind nicht meine Worte, es sind deine.«
    »Ich bin auch ganz deiner Meinung«, entgegnet Peter Motombwane. »Doch dieser Zusammenbruch würde bei weitem nicht die Ausmaße annehmen, die du dir vorstellst, aber ausreichen, um notwendige Veränderungen zu erzwingen. Vielleicht würde es dann zu einem schon viel zu lange aufgeschobenen Aufstand kommen. Bestenfalls könnte es uns gelingen, allen europäischen Einfluß über Bord zu werfen, der uns nach wie vor unterdrückt, ohne daß wir uns dessen überhaupt bewußt sind. Dann könnten wir endlich unsere afrikanische Unabhängigkeit Wirklichkeit werden lassen.«
    »Oder aber ihr schlagt euch gegenseitig den Schädel ein«, sagt Hans Olofson. »Stamm gegen Stamm,
bemba
gegen
luvale
,
kaonde
gegen
lozi

    »Wenigstens wäre das dann unser Problem«, antwortet Peter Motombwane. »Ein Problem, das ihr uns nicht aufgedrängt hättet.«
    »Afrika geht unter«, sagt Hans Olofson erregt. »Dieser Kontinent hat seine Zukunft schon hinter sich. Was bleibt, ist ein immer schneller fortschreitender Verfall.«
    »Falls du lange genug lebst, wirst du einsehen, daß du dich irrst«, antwortet Peter Motombwane.
    »Allen verfügbaren Untersuchungen zufolge habe ich eine höhere Lebenserwartung als du«, sagt Hans Olofson. »Und es wird sie auch niemand verkürzen können, indem er mit einem
panga
auf meinen Kopf zielt.«
    Das Gespräch endet unversöhnlich. Hans Olofson geht, Peter Motombwane bleibt im Halbdunkel sitzen. Als Hans Olofson in sein Zimmer zurückgekehrt ist und die Tür hinter sich zugeschlagen hat, ist er bedrückt und fühlt sich einsam. In ihm jault der verlassene Hund, und plötzlich sieht er das ohnmächtige Schrubben seines Vater vor sich. Eine Freundschaft zu beenden ist, als würde man sich selber die Fingerknöchel brechen, denkt er. Mit Peter Motombwane verliere ich meine wichtigste Verbindung zu Afrika. Unsere Gespräche und seine Erläuterungen zur Denkweise der Schwarzen werden mir fehlen.
    Er legt sich auf das Bett und denkt nach. Peter Motombwane kann natürlich auch recht haben. Was weiß ich denn schon über Ruth und Werner Masterton?
    Vor fast zwanzig Jahren teilten wir uns ein nächtliches Zugabteil zwischen Lusaka und Kitwe, und sie halfen mir weiter und kümmerten sich um mich, als ich aus Mutshatsha zurückkehrte. Aus ihrem Widerstand gegen die Veränderungen in Afrika haben sie nie einen Hehl gemacht, bis zuletzt sahen sie in der Kolonialzeit die Epoche, von der Afrika auch weiterhin profitiert hätte. Sie fühlten sich getäuscht und waren enttäuscht. Aber gab es die Brutalität, die Peter Motombwane in ihrem täglichen Leben gefunden zu haben glaubt?
    Vielleicht hat er recht, denkt Hans Olofson. Vielleicht gibt es eine Wahrheit, der ich nicht ins Auge sehen will. Vielleicht sind meine Reaktionen rassistisch. Er kehrt schnell in die Bar zurück, um sich mit Peter Motombwane zu versöhnen.
    Aber der Tisch ist verwaist und ein Kellner sagt ihm, Peter Motombwane sei plötzlich aufgebrochen.
    Erschöpft und traurig schläft er in seinem Hotelbett.
    Als er am nächsten Morgen frühstückt, wird er wieder an Ruth und Werner Masterton erinnert. Einer ihrer Nachbarn, ein Ire namens Behan, betritt den Speisesaal und bleibt an seinem Tisch stehen. In einem Stahlschrank, der dem Feuer standgehalten hat, ist in dem blutigen Haus ein Testament gefunden worden, aus dem hervorgeht, daß eine Anwaltskanzlei in Lusaka ermächtigt ist, die Farm zu verkaufen und den Gewinn nach Abzug aller Unkosten dem britischen Altersheim in Livingstone zu überweisen.
    Behan sagt, daß die Auktion auf der Farm in vierzehn Tagen stattfinden werde. Es gebe eine Reihe weißer Kaufinteressenten, die es nicht zulassen würden, daß die Farm in schwarze Hände falle.
    Es herrscht Krieg, denkt Hans Olofson, ein Krieg, der nur gelegentlich sichtbar wird. Aber überall ist der Rassenhaß der Weißen auf die Schwarzen – und umgekehrt – lebendig.
    Er kehrt zu seiner Farm zurück. Ein heftiger Wolkenbruch zwingt ihn kurz vor der Farm zum Anhalten. Eine Afrikanerin mit zwei kleinen Kindern geht lehmverschmiert und durchnäßt an seinem Wagen vorbei. Er erkennt, daß es die Ehefrau eines seiner Arbeiter ist. Sie bittet mich nicht, mitfahren zu dürfen, denkt er, und ich biete es ihr auch nicht an. Nichts vereint uns, nicht einmal ein schwerer Wolkenbruch, bei dem nur einer von beiden einen Regenschirm hat.
    Das barbarische Benehmen des Menschen hat immer ein

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