Das Auge des Leoparden
Olofson in dem Gefühl zunehmender Ohnmacht. Die Regenzeit geht ihrem Ende entgegen, er behält Luka im Auge. Das Gerücht von dem Überfall führt seine Nachbarn zu ihm, und er wiederholt seinen Bericht über die Nacht, in der Peter Motombwane und seine Hunde starben. Der zweite Mann wird nie gefunden, die Blutspur endet im Nichts. In seiner Phantasie wird der dritte Mann immer mehr zu einem Schatten, auch Lukas Gesicht verschwindet langsam.
Mehrmals leidet er an Malariaanfällen und glaubt, von Banditen überfallen zu werden. Eines Nachts denkt er, er würde sterben. Als er aufwacht, ist der Strom weg, und im Fieber verliert er völlig die Orientierung. Wahllos feuert er seinen Revolver in die Dunkelheit ab.
Als er das nächstemal aufwacht, ist der Malariaanfall vorüber, und Luka steht wie üblich im Morgengrauen vor der Tür. Andere Schäferhunde drehen ihre Runden um das Haus, seine weißen Nachbarn haben sie ihm ganz selbstverständlich geschenkt.
Die tägliche Arbeit auf der Farm bewältigt er wie immer. Es werden keine Eierlieferungen mehr geplündert, es herrscht Ruhe im Land.
Er fragt sich, wie er durchhalten soll, und denkt, daß es unumgänglich war, Peter Motombwane zu töten. Er hätte mir nie eine andere Wahl gelassen. Er hätte mich enthauptet, wenn ich ihm nicht zuvorgekommen wäre. Seine Verzweiflung muß so groß gewesen sein, daß er nicht warten konnte, bis die Zeit reif war und der Aufstand sich langsam anbahnte. Er muß geglaubt haben, den Reifeprozeß beschleunigen zu können, und griff zur einzigen Waffe, die ihm zur Verfügung stand. Vielleicht wußte er sogar, daß er scheitern würde.
Er vergleicht sich mit Peter Motombwane, durchstreift in ausgedehnten Trauermärschen sein Leben und denkt, mein Leben ist mit schlechtem Zement gebaut. Überall zeigen sich tiefe Risse, und eines Tages wird alles einstürzen. Meine Ambitionen sind immer oberflächlich und unzulänglich, meine moralischen Anwandlungen entweder sentimental oder zu ungeduldig gewesen. Im Grunde habe ich von mir selber niemals etwas gefordert.
Ich studierte, um einen Ausweg, einen Fluchtweg zu finden. Ich reiste nach Afrika, weil ich den Traum eines anderen Menschen in mir trug. Mir wurde eine Farm übergeben, aber als Judith Fillington fortging, war die eigentliche Arbeit schon getan. Ich brauchte nur noch die eingespielten Arbeitsabläufe zu wiederholen. Schließlich wurde mir die schreckliche Rolle zugeteilt, einen oder vielleicht sogar zwei Menschen zu töten. Menschen, die bereit waren, etwas zu tun, was ich niemals gewagt hätte. Man kann mir im Grunde nicht vorwerfen, daß ich mein Leben verteidigt habe. Aber ich werfe es mir vor.
Immer öfter betrinkt er sich abends und taumelt durch die leeren Zimmer. Ich muß fort, denkt er. Ich verkaufe die Farm, brenne sie nieder, gehe weg.
Er glaubt, daß ihm nur noch eine Aufgabe geblieben ist: Joyce Lufumas Töchter. Ich kann sie nicht allein lassen, denkt er. Auch wenn es Lars Håkansson gibt, muß ich hierbleiben, bis ich sicher sein kann, daß sie die nötige Geborgenheit gefunden haben, um ihre Ausbildung zu machen.
Als ein Monat vergangen ist, beschließt er spontan, nach Lusaka zu fahren und sie zu besuchen. Er denkt, daß er seine Ankunft besser ankündigen sollte, ruft dann aber doch nicht an, sondern setzt sich in den Wagen und fährt los. Er erreicht Lusaka an einem Sonntagabend.
Als er in die Stadt hineinfährt, empfindet er zum erstenmal seit langer Zeit Freude.
Ich hätte eigene Kinder haben sollen, denkt er. Auch in der Beziehung verläuft mein Leben nicht natürlich.
Auf der Fahrt zu Lars Håkanssons Haus überlegt er, daß es vielleicht noch nicht zu spät dafür ist.
Der Nachtwächter öffnet ihm das Tor der Einfahrt, und er biegt auf den Kiesplatz vor dem Haus …
I M AUGENBLICK der Niederlage wünscht sich Hans Olofson, er könnte wenigstens in eine Flöte blasen, die ihm jemand aus einem Schilfrohr geschnitzt hat.
Aber er besitzt keine solche Flöte, hält nur seine ausgerissenen Wurzeln in der Hand.
Hans Fredström, der Sohn eines Konditormeisters aus Danderyd, verkündet das Urteil über Hans Olofson. Sie sitzen Anfang September 1969 zusammen in einer Stockholmer Kneipe. Wer von ihnen den Vorschlag gemacht hat, an diesem Mittwochabend den Zug nach Stockholm zu nehmen und ein Bier trinken zu gehen, weiß er nicht mehr. Jedenfalls kommt er mit. Die fünf jungen Männer haben sich in einem Einführungsseminar kennengelernt.
Im Frühjahr war Hans
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