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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wenn die Preise auf dem Weltmarkt sinken? Man hat keinen Penny in Alternativen investiert. Sambia ist ein Agrarland. Es könnte sogar eines der besten auf der Welt sein, denn der Boden ist fruchtbar, und es gibt ausreichend Wasser. Aber man hat keinen Penny investiert. Die Afrikaner haben nichts begriffen, nichts gelernt. Als die englische Flagge eingeholt wurde und sie ihre eigene hißten, war das der Anfang eines Trauerspiels, das noch kein Ende genommen hat.
    »Ich weiß so gut wie nichts über Afrika«, meint Hans Olofson. »Und den wenigen Dingen, die ich weiß, mißtraue ich bereits. Dabei bin ich erst seit zwei Tagen hier.«
    Sie sehen ihn fragend an und er würde ihnen gerne eine andere Antwort anbieten.
    »Ich bin unterwegs zu einer Missionsstation in Mutshatsha«, erläutert er. »Aber im Grunde weiß ich überhaupt nicht, wie ich dorthin kommen soll.«
    Erstaunt stellt er fest, daß die Mastertons unverzüglich nach einem Weg suchen, wie er seine Expedition zu Ende bringen kann. Ihm kommt der Gedanke, daß er möglicherweise ein Problem zur Diskussion gestellt hat, das im Gegensatz zu dem, was Werner Masterton soeben erzählt hat, lösbar erscheint. Müssen die Probleme der Schwarzen vielleicht von Schwarzen und die der Weißen von Weißen gelöst werden?
    »Wir haben Freunde in Kalulushi«, sagt Werner Masterton. »Ich werde Sie zu Ihnen fahren. Unsere Freunde werden Ihnen dann weiterhelfen.«
    »Das kann ich nicht annehmen«, antwortet Hans Olofson.
    »Nehmen Sie es ruhig an«, sagt Ruth Masterton. »Wenn wir
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einander nicht helfen, wer soll es dann tun. Oder glauben Sie, einer der Schwarzen, die hier auf dem Dach hocken, würde Ihnen behilflich sein? Sobald sich die Gelegenheit dazu bietet, stehlen die Ihnen höchstens die Hose, die Sie am Leib tragen.«
    Ruth Masterton holt Essen aus einer Tasche, und das Ehepaar lädt Hans Olofson ein, mit ihnen zu essen.
    »Haben Sie nicht einmal Wasser dabei?« fragt sie. »Der Zug kann bis zu vierundzwanzig Stunden Verspätung haben. Es gibt immer etwas, das kaputtgeht, fehlt oder vergessen worden ist.«
    »Ich dachte, es gäbe Wasser im Zug.«
    »Das ist so dreckig, daß nicht einmal ein
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davon trinken würde«, entgegnet Werner Masterton und spuckt in die Dunkelheit hinaus. »In diesem Land könnte man wunderbar leben, wenn es die Schwarzen nicht gäbe.«
    Hans Olofson denkt, daß sich die Weißen in Afrika vielleicht zu rassistischen Ansichten bekennen, um ausharren zu können. Aber gilt das auch für die Missionare?
    »Kommt hier eigentlich nie ein Schaffner?« fragt er, um das, was er gerade gehört hat, nicht kommentieren zu müssen.
    »Es ist nicht gesagt, daß es einen gibt«, antwortet Ruth Masterton. »Möglich, daß er seinen Zug vergessen hat. Oder aber ein entfernter Verwandter ist gestorben, und er ist zur Beerdigung gegangen, ohne sich abzumelden. Die Afrikaner verbringen einen Großteil ihres Lebens auf dem Weg von oder zu Beerdigungszeremonien. Vielleicht kommt er auch noch. Nichts ist unmöglich.«
    Die beiden sind Überbleibsel von etwas Verlorenem, denkt Hans Olofson. Abgesehen von Südafrika und den portugiesischen Kolonien ist der Kolonialismus heute tot und vergessen. Eine Epoche, die Geschichte geworden ist, läßt immer eine Handvoll Menschen in einer neuen Zeit zurück. Sie leben in der Vergangenheit, träumen, sind verbittert. Sie blicken auf ihre leeren Hände und fragen sich, wohin die Werkzeuge der Macht entschwunden sind. Dann entdecken sie diese Werkzeuge plötzlich in den Händen von Menschen, mit denen sie früher nur gesprochen haben, wenn sie ihnen Befehle erteilt oder sie zurechtgewiesen haben. Sie leben in einer Epoche der Verbitterung, in der Dämmerung des bevorstehenden Untergangs. Die Weißen in Afrika sind verirrte, versprengte Menschen, von denen niemand mehr etwas wissen will. Man hat ihnen den Boden, den sie für unverrückbar hielten, unter den Füßen weggezogen.
    Eine Frage ergibt sich von selbst: »Dann war also früher alles besser?« erkundigt er sich.
    »Was soll man darauf antworten?« sagt Ruth Masterton und sieht ihren Mann an.
    »Man muß sagen, wie es ist«, erwidert Werner Masterton.
    Eine schwache, flackernde Lampe taucht das Abteil in dämmriges Licht. Hans Olofson bemerkt, daß der Lampenschirm voller toter Insekten ist.
    Werner Mastertons Augen folgen seinem Blick. »Ein solcher Lampenschirm, und die Putzfrau wäre entlassen worden«, sagt er. »Nicht am nächsten Tag, nicht nach einer

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