Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
treiben sich wie üblich grölende und betrunkene Jünglinge herum, die zu Tanzschritten zwar nicht mehr in der Lage sind, dafür aber um so eher Beschimpfungen ausstoßen, wenn ihnen die Musik nicht paßt. Schon vor langer Zeit hat Kringströms Orchester aufgehört, Perlen vor die Säue zu werfen. Ihre Musik sind Feldsteine, die aus den Instrumenten plumpsen. Mit Ohrstöpseln dämpft Kringström so gut es geht den Lärm und hört nur noch, was nötig ist, um nicht aus dem Rhythmus zu kommen. So oft wie möglich machen sie eine Pause und ziehen sie so sehr in die Länge, wie sie es wagen. In einem trostlosen Hinterzimmer, in dem eine Glühbirne von der Decke baumelt und ein zerrissenes Plakat, das einen Schlangenbeschwörer zeigt, von der Wand abblättert, trinken sie Kaffee mit Schnaps, sitzend schweigend beisammen und öffnen abwechselnd die Tür einen Spaltbreit, um ein Auge auf die Instrumente zu werfen für den Fall, daß einer der betrunkenen Jünglinge auf die Idee kommt, auf die Bühne zu wanken und seine Zähne in eine Klarinette zu schlagen …
    Auf »Rote Segel im Sonnenuntergang« folgt »Diana«, und anschließend muß es schnell weitergehen, damit das Publikum nicht anfängt zu murren. Also intoniert Kringströms Orchester polternd etwas, das entfernt an »Alligator Rock« erinnert, und Kringström denkt, daß hinter seinem Rücken ein boshaftes Wesen steht und ihm mit einem Vorschlaghammer auf den Schädel drischt. Auf der Tanzfläche hüpfen und springen die Jugendlichen wie die Verrückten, und manchmal kommt es Kringström so vor, als würde er in einem Irrenhaus leben. Nach dieser musikalischen Eruption folgen wiederum zwei langsame Nummern, und manchmal rächt sich Kringström an der anspruchsvollen Jugend, indem er zu einem Walzer aufspielt. Dann lichten sich die Reihen auf der Tanzfläche, und der lärmende Haufen drängelt sich an den Schwingtüren, die in das Café führen, wo man den mitgebrachten Schnaps hervorragend mit lauwarmer Limonade mischen kann.
    Diese Welt betritt nun auch Hans Olofson, meistens in Begleitung der Brüder Holmström. Noch haben sie ihre Auserwählten nicht gefunden und den Pferdehändler seinem Schicksal überlassen. Das väterliche Erbe, die vom Landvermesser für sie abgesteckte Zukunft, muß noch ein weiteres Jahr warten, und sobald die Herbstabende kühl werden, machen sie sich am Samstagabend auf den Weg zum Tanz im Gewerkschaftshaus. Auf dem Parkplatz sind sie Hans Olofson begegnet, der sich an eine Mauer gelehnt unsicher fragte, ob er sich nun hineinwagen sollte oder nicht. Sie haben ihn unter ihre Fittiche genommen, hinter die Damengarderobe gezerrt und ihm einen Schnaps angeboten. Daß er sich damals dem Pferdehändler in den Weg gestellt und gekündigt hat, das hat sie tief beeindruckt. Die meisten, die bei Under aufhören, werden hinausgeschmissen. Aber Hans Olofson hat ihm den Weg versperrt, und dafür soll er einen Schnaps und die Obhut ihrer Fittiche bekommen.
    Hans Olofson spürt, wie der Schnaps sein Blut in Wallung bringt, und folgt den Brüdern ins Getümmel. Vorsteher Gullberg steht an der Kasse und beobachtet argwöhnisch das heillose Durcheinander. Wenn jemand allzu offensichtlich betrunken ist, verwehrt er ihm den Eintritt, was in den meisten Fällen nur lahme Proteste nach sich zieht. Aber er weiß natürlich, daß literweise Schnaps und Kognak an ihm vorbeigetragen werden, in Handtaschen und weiten Mänteln. Doch den dreien gelingt der Weg durch das Nadelöhr, und sie betreten die verrauchte Wärme, die Welt der kaputten Glühbirnen. Die Brüder Holmström sind zwar keine großen Tänzer, aber mit der richtigen Dosis Schnaps im Leib ist es durchaus vorstellbar, daß sie zu einem anständigen Foxtrott auffordern. Sofort begegnen sie Damen, die sie von einem Scheunentanz her kennen, und plötzlich ist Hans Olofson allein.
    Tanzen kann er, das hat Janine ihm beigebracht. Aber sie konnte ihm nicht zeigen, wie man seinen Mut zusammennimmt, um jemanden aufzufordern.
    Diese Feuertaufe muß er allein durchstehen, und er beißt sich vor Wut in die Zunge, weil er sich nicht überwinden kann, jemanden aus der weiblichen Menge aufzufordern, die lustvoll bebend an der Seite der Tanzrotunde steht, von allen nur die »Bergwand« genannt.
    Auf der Tanzfläche schweben bereits die Beneidenswerten, Schönen und Willigen an ihm vorbei. Die Frauen, die zu jedem Tanz aufgefordert werden, kommen kaum bis zur »Bergwand«, ehe es auch schon wieder losgeht. Sie

Weitere Kostenlose Bücher