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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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weißt, könnte zum Beispiel Luka der Mann sein, der von deiner Farm berichtet. Es soll von vornherein verhindert werden, daß eine Opposition entsteht. Die Politiker, die im Moment an der Macht sind, bewachen unser Land wie eine Beute. In Afrika kann es leicht passieren, daß man spurlos verschwindet. Journalisten, die zu kritisch berichtet und Warnungen in den Wind geschlagen haben, verschwinden. Zeitungsredakteure werden aufgrund ihrer unverbrüchlichen Treue zu Partei und Politik ernannt, was zur Folge hat, daß über die verschwundenen Journalisten nichts in den Zeitungen steht. Man kann es nicht deutlich genug sagen. Es gibt einen verborgenen Strom von Ereignissen in diesem Land, und davon erfahren die Menschen nie etwas. Gerüchte verbreiten sich, belegen läßt sich jedoch nichts. Menschen kommen angeblich durch Selbstmord ums Leben. Massakrierte Leichen auf Eisenbahnschienen, mit Schnaps übergossen, werden zu betrunkenen Unfallopfern erklärt. Angebliche Diebe, die bei ebenso angeblichen Fluchtversuchen erschossen werden, sind unter Umständen Personen, die versucht haben, in den staatlich kontrollierten Gewerkschaften aktiv zu werden. Es gibt zahllose Beispiele. Dennoch herrscht immer Unruhe. Im verborgenen wird unzufrieden getuschelt. Die Menschen machen sich so ihre Gedanken über das Maismehl, das es auf einmal nirgendwo mehr gibt, obwohl über Jahre hinweg eine Rekordernte nach der andern eingefahren worden ist. Es kursiert das Gerücht, daß Lastwagen aus dem Fuhrpark der staatlichen Behörden nachts Maismehl über die Grenzen schmuggeln. Warum gibt es in den Krankenhäusern weder Impfstoffe noch Medikamente, obwohl sie dem Land für Millionen Dollar jedes Jahr gespendet werden? Jemand ist in Zaire gewesen und hat in einer Apotheke ein Medikament kaufen können, dessen Verpackung mit der Aufschrift
Donation to Zambia
versehen war. Die Gerüchte ziehen immer größere Kreise, der Unmut wächst, aber alle fürchten die Spitzel. Die Opposition und die Proteste müssen Umwege nehmen. Vielleicht haben ein paar verzweifelte Menschen angesichts ihrer hungernden Kinder und des Wissens um den Verrat der Politiker sich gedacht, daß die einzige Möglichkeit, den Mächtigen etwas anzuhaben, darin besteht, einen solchen Umweg zu nehmen? Weiße zu ermorden, um Instabilität und Verunsicherung auszulösen. Weiße hinzurichten, um die schwarzen Machthaber zu warnen. So könnte es sich abgespielt haben. Denn es wird etwas geschehen in diesem Land, und zwar bald. Seit über zwanzig Jahren sind wir nun unabhängig, aber für die Menschen hat sich im Grunde nichts verbessert. Nur eine kleine Minderheit, die von den Weißen die Macht übernahm, hat immense Reichtümer angehäuft. Vielleicht ist jetzt eine Schmerzgrenze erreicht? Vielleicht kündigt sich nun ein bislang aufgeschobener Aufstand an? Ich weiß es nicht genau, denn wir Afrikaner folgen oft Impulsen, die wie aus dem Nichts auftauchen. Unsere Reaktionsmuster sind häufig spontan, fehlende Organisation ersetzen wir durch die Wucht unserer Wut. Wenn es so zu dieser Tat gekommen ist, werden wir nie erfahren, wer Ruth und Werner Masterton ermordet hat. Viele werden die Namen der Mörder kennen, aber man wird sie beschützen. Sie werden von abergläubischem Respekt und von Furcht umgeben sein, als wären unsere Ahnen in ihrer Gestalt zurückgekehrt. Die Krieger der Vergangenheit kehren wieder. Vielleicht holt die Polizei ein paar kleine Diebe aus der Versenkung, behauptet, sie seien die Mörder, erschießt sie bei einem angeblichen Fluchtversuch und arrangiert gefälschte Vernehmungsprotokolle und Geständnisse. Früher oder später werden wir jedenfalls erfahren, ob sich meine Vermutungen bewahrheiten oder nicht.«
    »Und wann?« fragt Hans Olofson.
    »Wenn die nächste weiße Familie ermordet wird«, antwortet Peter Motombwane leise. Luka überquert die Terrasse, und ihre Blicke folgen ihm, bis er mit Fleischresten zu den Schäferhunden verschwunden ist.
    »Ein Spitzel auf meiner Farm«, sagt Hans Olofson. »Da frage ich mich natürlich sofort, wer das sein könnte.«
    »Nehmen wir an, du fändest es tatsächlich heraus«, sagt Peter Motombwane. »Was würde das schon ändern? Man wird sofort einen neuen anwerben. Niemand kann sich verweigern, außerdem wird man bezahlt. Am Ende wirst du deinen eigenen Schatten jagen. An deiner Stelle würde ich etwas ganz anderes machen.«
    »Und das wäre?« fragt Hans Olofson.
    »Du mußt den Mann im Auge behalten, der in

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