Das Auge des Leoparden
tausend Grad heißen Flammen brennt. Noch kann in unserer Zeit so etwas wie Freundschaft entstehen. Aber oft erkennen wir nicht, daß der Grund, auf dem wir gemeinsam stehen, bereits unterhöhlt ist. Wir sind Freunde, halten aber beide ein
panga
hinter unserem Rücken versteckt.«
»Geh noch einen Schritt weiter«, sagt Hans Olofson. »Du hoffst auf etwas, du träumst von etwas. Wenn ich dich richtig verstehe, ist dein Traum vielleicht mein Alptraum?«
Peter Motombwane nickt. »Du bist mein Freund«, sagt er, »jedenfalls im Moment. Aber natürlich wünsche ich mir gleichzeitig, daß alle Weißen das Land verlassen. Ich bin kein Rassist, ich rede hier nicht von der Hautfarbe. Angesichts des Leidens meines Volks halte ich Gewalt für unverzichtbar. Afrikanische Revolutionen sind fast immer schreckliche Blutbäder, der politische Kampf wird stets von unserer Vergangenheit und unseren Traditionen überschattet. Falls unsere Verzweiflung groß genug ist, können wir uns vielleicht gegen einen gemeinsamen Feind verbünden. Doch anschließend werden wir die Waffen gegen unsere Brüder erheben, wenn sie nicht demselben Stamm angehören. Afrika ist ein verletztes schwarzes Tier, in unseren Körpern stecken Speere, die von unseren eigenen Brüdern geworfen wurden. Dennoch muß ich an die Zukunft glauben, an eine andere Zeit und ein Afrika, das nicht von Tyrannen beherrscht wird, die letztlich nur die europäischen Gewaltherrscher imitieren, die es zu allen Zeiten gegeben hat. Meine Sorge und mein Traum sind eins mit der Unruhe, die du im Moment spürst. Du mußt begreifen, daß diese Unruhe letzten Endes der Ausdruck eines Traums ist. Aber wie erweckt man einen Traum zu neuem Leben, wenn er den Menschen von der Geheimpolizei gründlich ausgetrieben worden ist? Von Führern, die Vermögen anhäufen, indem sie die Impfstoffe stehlen, die unsere Kinder vor den einfachsten Infekten schützen sollen?«
»Gib mir einen Rat«, sagt Hans Olofson. »Es ist nicht gesagt, daß ich ihn befolge, aber ich möchte trotzdem hören, was du mir zu sagen hast.«
Peter Motombwane schaut in den Garten hinaus. »Geh fort«, sagt er. »Geh fort, bevor es zu spät ist. Vielleicht irre ich mich, und es vergehen noch viele Jahre, bis für die
wazungu
verschiedener Hautfarbe auf diesem Kontinent die Sonne untergeht, aber falls du dann noch hier sein solltest, wird es zu spät sein.«
Hans Olofson begleitet ihn zu seinem Wagen. »Die blutigen Details«, sagt er.
»Die habe ich schon erhalten«, antwortet Peter Motombwane. »Ich kann sie mir lebhaft vorstellen.«
»Komm wieder«, sagt Hans Olofson.
»Wenn ich nicht mehr wiederkäme, würden die Menschen auf deiner Farm sich Gedanken darüber machen«, antwortet Peter Motombwane. »Und ich will nicht, daß sich die Menschen unnötig den Kopf zerbrechen. Vor allem nicht in einer so unruhigen Zeit.«
»Was wird geschehen?« fragt Hans Olofson hastig.
»In einer brennenden Welt kann alles geschehen«, antwortet Peter Motombwane.
Der Wagen fährt mit stotterndem Motor und ausgeleierten Stoßdämpfern davon. Als Hans Olofson sich umdreht, sieht er Luka auf der Terrasse stehen und regungslos dem verschwindenden Auto nachschauen.
Zwei Tage später begleitet Hans Olofson Ruth und Werner Mastertons Särge zu ihrem Grab neben dem des jungen Iren, der viele Jahre zuvor gestorben war. Alle Sargträger sind Weiße, und blasse und verbissene Gesichter betrachten die Särge, die in die rote Erde hinabgesenkt werden. Etwas abseits stehen die schwarzen Arbeiter. Hans Olofson erblickt Robert, regungslos, allein, ein ausdrucksloses Gesicht. Die Stimmung ist angespannt, die Weißen, die gekommen sind, um Abschied von Ruth und Werner Masterton zu nehmen, sind vereint in ihrer Wut. Viele von ihnen tragen offen Waffen, und Hans Olofson denkt, daß er sich in einem Trauerzug befindet, aus dem jeden Moment eine gutgerüstete Armee werden könnte.
In der Nacht nach der Beerdigung brennt das Haus der Mastertons nieder. Am nächsten Morgen stehen nur noch die rauchenden Grundmauern. Der einzige, auf den sie sich stets verlassen haben, ihr Fahrer Robert, ist plötzlich verschwunden. Geblieben sind nur die Arbeiter, die auf etwas warten, von dem niemand weiß, was es sein wird.
Hans Olofson errichtet Barrikaden in seinem Haus. Jede Nacht schläft er woanders, die Türen versperrt er mit Tischen und Schränken. Tagsüber geht er wie gewohnt seiner Arbeit nach. Verstohlen beobachtet er Eisenhower Mudenda, erwidert seinen
Weitere Kostenlose Bücher