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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ruhe zu erschüttern.
    »Wir haben 1987«, sagt Hans Olofson. »Du bist ein erwachsener Mann und hast dein ganzes Leben unter
wazungu
gelebt. Du weißt, daß der afrikanische Aberglaube ein Teil eurer Rückständigkeit ist, daß es uralte Vorstellungen sind, von denen ihr euch aus Schwäche nicht befreit. Selbst dabei müssen wir euch noch helfen. Gäbe es uns nicht, würdet ihr euch mit euren Einbildungen zu Grunde richten.«
    »Unser Präsident ist ein gebildeter Mann,
bwana
«, sagt Luka.
    »Mag sein«, sagt Hans Olofson. »Er hat jegliche Zauberei verboten. Ein Medizinmann kann ins Gefängnis kommen.«
    »Unser Präsident trägt immer ein weißes Taschentuch in der Hand,
bwana
«, fährt Luka ungerührt fort. »Er trägt es bei sich, um sich unverletzbar zu machen und gegen Zauberei zu schützen. Er weiß, daß er etwas, das es gibt, nicht durch Verbote verhindern kann.«
    Er ist unnahbar, denkt Hans Olofson. Niemand muß ich so fürchten wie ihn, denn er kennt all meine Gewohnheiten.
    »Deine Brüder haben meine Freunde ermordet«, sagt er. »Aber das weißt du wahrscheinlich schon?«
    »Das wissen alle,
bwana
«, sagt Luka.
    »Gute Menschen«, fügt Hans Olofson hinzu. »Fleißige Menschen, unschuldige Menschen.«
    »Niemand ist unschuldig,
bwana
«, sagt Luka. »Es ist traurig, aber manchmal müssen auch traurige Dinge geschehen.«
    »Wer hat sie getötet?« fragt Hans Olofson. »Wenn du etwas weißt, dann sag es mir.«
    »Niemand weiß etwas,
bwana
«, antwortet Luka ruhig.
    »Ich glaube, daß du lügst«, sagt Hans Olofson. »Du weißt doch sonst immer, was vorgeht, manchmal schon, bevor es passiert. Aber jetzt willst du plötzlich nichts wissen. Oder hat vielleicht eine weiße Schlange sie getötet und enthauptet?«
    »Vielleicht,
bwana
«, antwortet Luka.
    »Du arbeitest jetzt fast zwanzig Jahre für mich«, sagt Hans Olofson. »Ich habe dich immer gut behandelt, dich anständig bezahlt, dir Kleider geschenkt, ein Radio, alles, worum du gebeten hast und auch noch manches, worum du nicht gebeten hast. Trotzdem traue ich dir nicht. Was hindert dich daran, mir eines Morgens ein
panga
in den Schädel zu stoßen, statt mir den Kaffee zu bringen? Ihr schneidet euren Wohltätern die Kehle durch, ihr redet von weißen Schlangen und ihr wendet euch an Zauberer. Was würde denn passieren, wenn alle Weißen das Land verließen? Was würdet ihr essen?«
    »Das würden wir dann entscheiden,
bwana
«, antwortet Luka.
    Hans Olofson senkt das Gewehr.
    »Noch einmal«, sagt er. »Wer hat Ruth und Werner Masterton getötet?«
    »Das weiß der, der es war,
bwana
«, erwidert Luka. »Sonst niemand.«
    »Aber du hast einen Verdacht«, beharrt Hans Olofson. »Was geht in deinem Kopf vor?«
    »Es sind unruhige Zeiten,
bwana
«, antwortet Luka. »Die Menschen haben nichts zu essen. Unsere Lieferwagen werden überfallen. Kurz bevor ihre Kräfte endgültig schwinden, sind hungrige Menschen gefährlich. Sie sehen, wo es etwas zu essen gibt, sie hören von den Mahlzeiten der Weißen, sie haben Hunger.«
    »Aber warum gerade Ruth und Werner?« fragt Hans Olofson. »Warum gerade sie?«
    »So etwas fängt immer irgendwo an,
bwana
«, sagt Luka. »In irgendeine Richtung muß man immer gehen.«
    Da hat er recht, denkt Hans Olofson. In der Dunkelheit wird ein blutiger Beschluß gefaßt, ein Finger zeigt willkürlich in eine Richtung, in der zufällig Ruth und Werner Mastertons Haus liegt. Beim nächstenmal wird der Finger dann vielleicht auf mich gerichtet.
    »Eins sollst du wissen«, sagt er zu Luka. »Ich habe noch nie einen Menschen getötet, aber ich werde nicht zögern, auch nicht, wenn ich dich töten müßte.«
    »Ich werde es nicht vergessen,
bwana
«, sagt Luka.
    Langsam nähert sich ein Auto auf dem schlammigen und ausgefahrenen Weg, der von den Hühnerställen zum Haus führt. Hans Olofson erkennt Peter Motombwanes verrosteten Peugeot.
    »Kaffee und Tee«, sagt er zu Luka. »Peter Motombwane trinkt keinen Kaffee.«
    Sie setzen sich auf die Terrasse.
    »Du hast mich bestimmt schon erwartet«, meint Peter Motombwane, während er in seiner Teetasse rührt.
    »Nicht wirklich«, antwortet Hans Olofson. »Im Moment erwarte ich alles und nichts.«
    »Du vergißt, daß ich Journalist bin«, sagt Peter Motombwane. »Du vergißt, daß du eine wichtige Person bist. Du hast als erster gesehen, was geschehen ist.«
    Hans Olofson bricht auf einmal in Tränen aus. Trauer und Angst brechen mit Macht aus ihm hervor. Peter Motombwane wartet mit

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