Das Auge des Leoparden
Kalulushi lebt, sondern weil es eine Anhöhe auf Hans Olofsons Land gibt, auf der ein solcher Sender errichtet werden könnte: ein Turm aus Stahl mit einer Parabolantenne an der Spitze, eine Umzäunung, ein befahrbarer Weg, alles in allem eine Fläche von vierhundert Quadratmetern.
»Sollten Sie sich bereit erklären, auf Ihr Land zu verzichten, erhalten Sie natürlich eine angemessene Entschädigung«, erläutert Lars Håkansson. »Es wird sich sicher arrangieren lassen, daß Sie Ihr Geld in einer harten Währung bekommen, Dollar, Pfund oder Mark.«
Hans Olofson sieht keinen Grund, das Angebot auszuschlagen. »Telekommunikation«, sagt er. »Telefon oder Fernsehen?«
»Beides«, antwortet Lars Håkansson. »Die Parabolantennen senden und empfangen alle Arten von Funkwellen. Fernsehsignale werden von Fernsehsendern empfangen, Telefonimpulse zu einem Satelliten weitergeleitet, der über dem Äquator steht und die Signale anschließend an die Telefone in aller Welt sendet. Afrika wird integriert.«
Hans Olofson lädt den schwedischen Entwicklungshelfer zu einer Tasse Kaffee ein.
»Sie haben es schön hier«, sagt Lars Håkansson.
»Es gärt im Land«, erwidert Hans Olofson. »Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich noch so schön ist, hier zu leben.«
»Ich bin jetzt zehn Jahre in Afrika im Einsatz«, sagt Lars Håkansson. »Ich habe Sender in Guinea-Bissau, Kenia und Tansania geplant. Überall gärt es, aber als Experte in der Entwicklungshilfe merkt man davon nicht viel. Man ist ein heiliger Mann, weil man Millionenbeträge aus den Khakimanschetten schüttelt. Die Politiker dienern, und Militär und Polizei grüßen stramm, wenn man kommt.«
»Militär und Polizei?« fragt Hans Olofson.
Lars Håkansson zuckt mit den Schultern und verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. »Sender und Empfänger«, antwortet er. »Alle Arten von Mitteilungen können mit der neuen Technik übermittelt werden. Die Möglichkeiten von Polizei und Militär, das Geschehen in entlegenen Provinzen zu kontrollieren, werden dadurch auch verbessert. Bei einer Krisensituation können die Leute, die über die entsprechenden Schlüssel verfügen, einen aufmüpfigen Landesteil einfach abschalten. Laut Parlamentsbeschluß darf schwedische Entwicklungshilfe zwar nur für zivile Zwecke verwendet werden, aber wie soll man kontrollieren, wofür die Sender genutzt werden? Schwedische Politiker haben doch keine Ahnung, wie es in der Welt aussieht. Schwedische Geschäftsleute wissen das um so besser. Deshalb werden Geschäftsleute auch nie Politiker.«
Lars Håkansson tritt selbstbewußt und gestenreich auf. Hans Olofson beneidet ihn um seine Sicherheit.
Hier sitze ich mit meinen Eiern, denkt er. Hühnerkot klebt unter meinen Fingernägeln.
Er betrachtet Lars Håkanssons saubere Hände, seine maßgeschneiderte Khakijacke. Er sieht in Lars Håkansson einen glücklichen Mann um die Fünfzig.
»Zwei Jahre werde ich bleiben«, sagt er. »Ich arbeite von Lusaka aus, wo ich in einem herrlichen Haus auf der Independence Avenue wohne. Es ist beruhigend, einen Wohnsitz zu haben, von dem aus man fast täglich den Präsidenten in seinem gutbewachten Konvoi vorbeifahren sehen kann. Ich vermute, daß man mich früher oder später in das State House einladen wird, damit ich dort das wunderbare schwedische Geschenk vorstellen kann. Heutzutage ist es vorteilhafter, ein Schwede in Afrika zu sein als ein Schwede in Schweden. Unsere großzügige Entwicklungshilfe öffnet einem Tür und Palasttor.«
Hans Olofson erzählt ausgewählte Kapitel aus seinem afrikanischen Leben.
»Zeigen Sie mir die Farm«, sagt Lars Håkansson. »Übrigens habe ich in der Zeitung von einem Raubmord auf einer Farm hier in der Gegend gelesen. War das in der Nähe?«
»Nein«, antwortet Hans Olofson. »Ziemlich weit weg.«
»Bauern werden gelegentlich sogar in Småland ermordet«, sagt Lars Håkansson. Sie steigen in seinen nagelneuen Land-Cruiser, machen eine Rundfahrt und besichtigen einen der Hühnerställe. Hans Olofson zeigt ihm die Schule.
»Wie ein Gutspatron in der guten alten Zeit«, sagt Lars Håkansson. »Schlafen Sie auch mit ihren Töchtern, bevor sie heiraten dürfen? Oder hat man jetzt, da ganz Afrika Aids hat, vielleicht damit aufgehört?«
»So etwas habe ich nie getan«, entgegnet Hans Olofson aufgebracht.
Vor Joyce Lufumas Haus stehen zwei der älteren Töchter und winken ihnen zu. Die eine ist sechzehn, die andere fünfzehn.
»Eine Familie, um die ich mich ganz
Weitere Kostenlose Bücher