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Das Auge des Leoparden

Das Auge des Leoparden

Titel: Das Auge des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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es mir nicht sagst, muß ich annehmen, daß du es selbst warst. Dann wirst du entlassen. Das können nicht einmal deine
muloji
verhindern. Du mußt dein Haus verlassen und darfst dich auf der Farm nicht mehr zeigen. Tust du es trotzdem, holt dich die Polizei.«
    Ich hätte in der Sonne mit ihm reden sollen, denkt Hans Olofson. Hier drinnen kann ich sein Gesicht kaum erkennen.
    »Ich kann
bwana
schon jetzt antworten«, sagt Eisenhower Mudenda, und Hans Olofson glaubt einen schneidenden Unterton in seiner Stimme wahrzunehmen.
    »Um so besser«, erwidert er. »Ich höre.«
    »Niemand auf dieser Farm hat einen Hund getötet,
bwana
«, sagt Eisenhower Mudenda. »Menschen sind in der Nacht gekommen und wieder verschwunden. Ich weiß, wer sie sind, kann aber nichts sagen.«
    »Warum nicht?« fragt Hans Olofson.
    »Ich erlange mein Wissen in Form von Erscheinungen,
bwana
«, antwortet Eisenhower Mudenda. »Aber nur manchmal lassen sich diese Erscheinungen auch deuten. Eine Erscheinung kann sich in ein Gift verwandeln, das mein Gehirn tötet.
    »Benutze einen
muloji
«, sagt Hans Olofson. »Erzeuge ein Gegengift und erzähl mir von deiner Erscheinung.«
    »Nein,
bwana
«, erwidert Eisenhower Mudenda.
    »Dann bist du entlassen«, sagt Hans Olofson. »In diesem Moment endet deine Anstellung auf meiner Farm. Morgen früh verläßt du mit deiner Familie euer Haus. Den Lohn, der dir noch zusteht, zahle ich dir sofort aus.«
    Er legt ein Bündel Geldscheine auf den Tisch.
    »Ich gehe,
bwana
«, sagt Eisenhower Mudenda. »Aber ich komme wieder.«
    »Nein«, widerspricht Hans Olofson. »Jedenfalls nicht, wenn du nicht willst, daß die Polizei dich festnimmt.«
    »Die Polizisten sind Schwarze,
bwana
«, antwortet Eisenhower Mudenda.
    Seine Finger greifen nach den Geldscheinen, und er geht in das grelle Sonnenlicht hinaus. Eine Kraftprobe zwischen Wirklichkeit und Aberglaube, denkt Hans Olofson. Ich darf mich nicht davon abbringen lassen, daß die Wirklichkeit stärker ist.
    Am Abend verbarrikadiert er sich wieder in seinem Haus und wartet darauf, daß etwas passiert. Er schläft unruhig auf seinem Bett, und die Bilder der leblosen und zerstückelten Körper von Werner und Ruth reißen ihn immer wieder aus dem Schlaf. Übermüdet und bleich läßt er Luka im Morgengrauen ins Haus. Dunkle Regenwolken türmen sich am Horizont.
    »Nichts ist, wie es sein soll,
bwana
«, sagt Luka ernst.
    »Wie bitte?« fragt Hans Olofson.
    »Es ist still auf der Farm,
bwana
«, antwortet Luka.
    Er setzt sich ins Auto und fährt zu den Hühnerställen. Die Arbeitsplätze sind verlassen, kein Mensch ist zu sehen. Die Eier liegen noch da, die Futtertröge sind leer. Leere Eierkartons lehnen an den Rädern der Lieferwagen. In den Zündschlössern stecken die Schlüssel.
    Die Kraftprobe, denkt er. Der Zauberer und ich treten gegeneinander an. Außer sich vor Wut steigt er wieder in den Wagen. Mit kreischenden Bremsen hält er zwischen den flachen Lehmhütten. Männer sitzen in Gruppen an Feuern zusammen, Frauen und Kinder stehen in den Türöffnungen der Hütten. Sie haben mich erwartet, denkt er und ruft einen der älteren Vorarbeiter zu sich. »Es arbeitet niemand«, sagt er. »Warum nicht?«
    Die Antwort besteht aus Schweigen, unschlüssigen Blicken, Angst.
    »Wenn alle auf der Stelle wieder an die Arbeit gehen, werde ich nicht mehr nach dem Grund fragen«, sagt er. »Niemand wird entlassen, es gibt keine Lohnabzüge. Aber nur, wenn ihr alle sofort an die Arbeit geht.«
    »Wir können nicht,
bwana
«, sagt einer der älteren Vorarbeiter.
    »Warum nicht?« fragt Hans Olofson wieder.
    »Eisenhower Mudenda ist nicht mehr auf der Farm,
bwana
«, fährt der Vorarbeiter fort. »Bevor er weggegangen ist, hat er uns zusammengerufen und gesagt, jedes Ei, das von nun an gelegt wird, ist ein Schlangenei. Rühren wir die Eier an, werden wir von Giftzähnen gebissen, und die Farm wird von Schlangen überschwemmt.«
    Hans Olofson überlegt. Worte nützen hier nichts, denkt er. Ich muß etwas tun, was sie mit ihren eigenen Augen sehen können.
    Er steigt wieder in den Wagen, kehrt zu den Ställen zurück und füllt einen Karton mit Eiern. Dann schart er die Vorarbeiter um sich. Wortlos zerbricht er ein Ei nach dem anderen, läßt Eiweiß und Eigelb auf die Erde fließen. Die Männer weichen zurück, aber er macht weiter.
    »Keine Schlangen«, sagt er. »Das sind ganz normale Eier. Oder sieht hier jemand eine Schlange?«
    Aber die Vorarbeiter sind alles andere als

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