Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)
großen Spaß zu halten.
„Warte, bis du den Pool siehst“, sagte ich. „Oder auch nicht.“ Ich streichelte Winky, damit sie sich beruhigte. Ich war mir nicht sicher, ob wir allein im Haus waren. Sabine hatte ich seit Stunden nicht mehr gesehen, aber es gab hier so viele Zimmer, dass das nicht viel zu sagen hatte. „Muss sie nicht Gassi gehen oder so, nach der langen Zugfahrt?“
„Der Taxifahrer hat uns kurz im Wald rausgelassen“, verriet Tatjana. „Ein cooler Typ, dieser Fabrizio. Wollen wir nachher in die Eisdiele? Oder Pizza essen? Zum Chinesen dürfen wir ja nicht, sonst ist er beleidigt.“
„Fabrizio?“ Ich war enttäuscht. „Tony“ hätte so gut zu ihm gepasst. „Wir könnten uns eine Pizza kommen lassen“, schlug ich vor. Ich wusste, dass in der Küche jede Menge Gläser mit der Aufschrift „Riebeck & Meyrink“ standen, aber eine schlichte Pizza wäre mir jetzt lieber gewesen. Hoffentlich betrachtete Onkel Vincent das nicht als Verrat an der Familienehre.
Ausgerechnet jetzt klopfte es an die Zimmertür. Tatjana versuchte, Winky zurück in den Korb zu stopfen, was ungefähr dem Versuch glich, einen zappelnden Kraken in ein Handtäschchen zu quetschen.
Ich öffnete nur einen Spalt und steckte den Kopf durch. „Ja?“
Es war Sabine. „In der Küche steht was für euch“, sagte sie. „Ist Marie-Sophie bei dir? Was macht ihr denn für einen Lärm?“
„Wir kommen gleich.“ Ich schlug ihr die Tür vor der Nase zu. „Das ist die Schreckschraube“, erklärte ich. „Jetzt musst du ganz brav sein.“
„Sind wir“, beteuerte Tatjana. „Superbrav.“ Komisch, das sagte sie immer. Winky kläffte zustimmend.
Es klopfte erneut.
„Ich habe einen Hund gehört“, sagte Sabine.
Es wäre ja auch zu schön gewesen. Aber Winky war nun mal eben kein Hund, den man auf Knopfdruck an- und ausschalten konnte.
„Tja … ähm … aber er ist nur ganz klein.“
Sie schob sich an mir vorbei ins Zimmer. Beim Anblick einer neuen Person geriet Winky wie immer in Ekstase, wedelte und sprang an ihr hoch.
Sabine bückte sich und streichelte den Hund, was ihr erstmals ein paar Sympathiepunkte bei mir eintrug.
„Sie tut keinem was“, versicherte Tatjana.
„Darum geht es nicht“, meinte Sabine. „Herr Riebeck gestattet keine Hunde auf seinem Grundstück.“ Ihre Stimme hörte sich an, als würde sie aus einem Prospekt vorlesen, aber sie betrachtete Winky mit ehrlichem Bedauern.
„Was soll ich denn jetzt machen?“, jammerte Tatjana.
Wir beide starrten Sabine flehentlich an. Vielleicht gefiel es ihr, dass unser Schicksal nun von ihr abhing, denn sie runzelte die Stirn und lächelte dann. „Keine Tretminen auf dem Rasen“, sagte sie. „Wenn du mit ihr Gassi gehst, verlässt du das Anwesen und bringst sie in den Wald auf der anderen Straßenseite.“
„Oh danke, danke!“, rief Tatjana.
„Und ich würde sie im Zimmer lassen, wenn Herr Riebeck da ist“, meinte Sabine. „Wir sollten es ihm nicht unter die Nase reiben, dass der Hund hier wohnt. Wenn er es trotzdem rausfindet, schiebt es auf mich, weil ich es erlaubt habe.“
„Klar“, versicherten wir.
„Aber wenn ich nur ein einziges Häufchen im Garten entdecke, ausgebuddelte Blumen oder Ähnliches, dann fährst du sofort nach Hause, Marie-Sophie.“
Tatjana nickte ergeben.
Das Essen zusammen mit Sabine war dann gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Von Winky kamen wir auf Tatjanas Familie zu sprechen, und als Sabine erfuhr, dass der Vater meiner Freundin Schönheitschirurg war, wurde sie plötzlich ganz aufgeregt und wollte mehr wissen. Sieh an, dachte ich, denkt die gute Sabine etwa über eine Verschönerung nach?
Von meinem Platz aus konnte ich den Garten sehen, und mir war, als würde ich dort eine Bewegung wahrnehmen, einen Schatten zwischen den Bäumen. Danach hielt ich es kaum noch am Tisch aus, das Gespräch plätscherte an mir vorbei.
„Ich muss dir noch alles zeigen, Tatjana“, unterbrach ich die beiden schließlich. „Wollen wir nicht los?“
Sie nickte verwirrt, aber als beste Freundin war sie an meine Stimmungsumschwünge gewöhnt. „Wo ist der Pool?“
Wenn ich an das hellblaue Viereck neben der Hecke dachte, hatte Rico schon seinen festen Platz in diesem Bild. Wie er im Schatten unter dem Baum saß … Ich sehnte mich danach, ihn dort zu treffen. Umso mehr störte mich daher die leere Stelle unter seinem Lieblingsbaum.
Ausgerechnet hier befestigte Tatjana Winkys Leine.
„Du darfst sie gar nicht
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