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Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition)

Titel: Das Auge des Nachtfalters: Mystery-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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konnte, waren die Unterschiede überdeutlich. Wie braungebrannt dieser Junge war. Und der Blick aus den schwarzen Augen war … anders. Fremd. Ich hätte den Unterschied nicht beschreiben können, aber ich spürte ihn.
    Seine Hand schnellte vor und umfasste mein Handgelenk. „Du bist das Mädchen aus dem Schloss.“
    Ich riss mich los und rannte zum Tor, kämpfte mit dem Draht und hetzte davon.

    „Und?“, fragte Tatjana. „Hast du ihn getroffen? Hast du?“
    „Er war nicht da“, log ich.
    Ich konnte es ihr nicht erzählen, obwohl sie wahrscheinlich als meine beste Freundin ein Recht darauf hatte, es zu erfahren. Vielleicht würde ich es irgendwann können, aber noch nicht. Ich hatte einen wildfremden Jungen geküsst. Schlimmer noch, ich hatte ihn sozusagen überfallen. Ihm die Augen zugehalten und es einfach getan. Und wenn er nun eine Freundin hatte und dachte, sie wäre es gewesen? Wie hatte ich nur etwas dermaßen Peinliches tun können? Ich würde sterben, wenn ich diesem Fremden noch einmal begegnete. Im Boden versinken und einfach sterben.
    „Heute Abend“, kündigte Tatjana an.
    „Nein“, widersprach ich schwach. Ich stand immer noch unter Schock. Der Kuss war so schön gewesen. Und dieser Junge erst. Aber es war nicht Rico. Nicht mein Rico! Wieso hatte ich das bloß gemacht? Weil er gesagt hätte, erst müsste ich zu ihm kommen, in seinen eigenen Garten, um ihn küssen zu können? Als hätte er mir diesen Doppelgänger vor die Nase gesetzt, um mich zu provozieren, und ich war voll drauf reingefallen. Ich hätte mich ohrfeigen können.
    „Du bist ein Angsthase“, stellte Tatjana fest.
    Ja, das war ich wohl. Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, aber noch viel weniger konnte ich mir selbst verzeihen.
    An diesem Abend gelang es mir, ihr die Nachforschungen nach dem Pizzaboten auszureden, doch gleich am nächsten Tag entwickelte sie eine Energie, der ich nichts entgegensetzen konnte. Betteln und Flehen halfen nichts.
    In unserer Mittagspause im Laden zerrte sie mich die Straße runter, obwohl ich mich nach Kräften wehrte und sie zu einer Hefeschnecke in der Bäckerei zu überreden versuchte. Es war sinnlos, also ergab ich mich schließlich in mein Schicksal. Zudem hatte sich Tatjana ein Druckmittel einfallen lassen, das ziemlich wirkungsvoll war: Wenn ich sie nicht davon überzeugen konnte, dass Rico harmlos war, würde sie ihn und seine heimlichen Gartenbesuche an Onkel Vincent verraten.
    Darüber hatte sie bestimmt die ganze Nacht gebrütet.
    „Er ist es nicht“, sagte ich. „Tatjana, ehrlich, dieser Typ ist ein ganz anderer. Sie sehen sich bloß ähnlich. Lass gut sein, ja?“
    „Du kommst mit, oder Onkel Vincent erfährt alles.“
    „Du bist meine beste Freundin“, beschwerte ich mich. „Man erpresst nicht seine Freundin, das macht man einfach nicht.“
    Ihre Augen funkelten. „Oh doch, wenn die nicht auf kluge Ratschläge hören kann, dann schon.“
    Ich fand Tatjana irgendwie ein bisschen skrupellos. Aber als uns die guten Düfte aus dem Restaurant entgegenwallten, war ich geneigt, ihr wenigstens ansatzweise zu verzeihen.
    „Ich könnte jeden Tag drei Pizzen essen“, meinte sie. „Zum Frühstück, zum Mittagessen und abends.“
    „Ich dachte, du willst Model werden.“ Sie hatte ein paar Kilos zugelegt, seit sie aus Barbados zurück war, wie mir schien. Lenk sie ab, dachte ich. Lass sie essen, hoffentlich vergisst sie dann, warum wir hier sind.
    Vielleicht war der Pizzajunge nicht da. Der, der so gut roch und den ich ohne seine Zustimmung geküsst hatte. Die Gedanken ließen sich einfach nicht abstellen.
    „Ich kann ja auch Model für Vollschlanke werden“, meinte sie unbekümmert.
    Wir wählten einen Tisch draußen, obwohl heute ein kühler Wind wehte und wir die Speisekarte am Davonfliegen hindern mussten. Zu Tatjanas Enttäuschung und meiner übergroßen Erleichterung wurden wir von einem rotblonden, sommersprossigen Mädchen bedient und nicht etwa von einem schwarzhaarigen Jungen.
    „Die Elf und dazu ein Salat“, bestellte Tatjana. „Ist Rico heute denn nicht da?“
    „Rico?“, fragte das Mädchen. „Kenne ich nicht. Hast du dir schon was ausgesucht?“, wandte sie sich an mich.
    Vielleicht wurde es doch noch ein schöner Tag. Wir würden ihn nicht finden und wieder abziehen, und mein Leben konnte weitergehen, als hätte ich mich nicht unsterblich blamiert.
    „Vielleicht heißt er auch anders.“ Tatjana blieb hartnäckig. „Er hat uns die Pizza ins Schloss

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