Das Auge des Sehers (German Edition)
Einen Tatverdächtigen haben wir noch nicht. Dafür umso mehr offene Fragen. Apropos Frage …»
«Am Sonntag ist schon wieder ein Match.»
«Stimmt! Ein Heimspiel gegen Luzern.»
«Zwei Spiele so kurz aufeinander?»
«Das hängt mit der Champions League zusammen. Der Terminplan ist sehr eng, sodass der FCB praktisch nur noch englische Wochen hat.»
«Was für Wochen?»
«Englische. In Grossbritannien spielen sie oft Mittwoch, Samstag, Mittwoch oder eben wie heute Donnerstag, Sonntag und dann am nächsten Mittwoch wieder ein Auswärtsspiel in der Champions League. Ich kann am Sonntag auch zu Hause bleiben … der Match gegen Luzern ist nicht so wichtig.»
«Schwindler!»
«Es ist mein Ernst.»
«Ja, wenn es so ist, könntest du Nikki dein Ticket geben, dann nimmt sie einfach eine Freundin mit.»
«Hm … eigentlich würde ich schon gern … wenn es dir nichts ausmacht …»
«Aber sicher, mein Schatz. Ich kann mich die paar Stunden schon alleine beschäftigen.»
Ich sollte Monika öfters einen Blumenstrauss mitbringen!
12. Kapitel
Am Barfüsserplatz wurden bereits die ersten Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt getroffen. Noch knapp eine Woche, dann erstrahlt alles im Lichterglanz. Ferrari freute sich wie jedes Jahr auf die Vorweihnachtszeit mit ihrem unverkennbaren Duft nach Glühwein, Zimt und Läckerli. Nur schon der Gedanke an Brunsli, Mailänderli, Änis und Zimtsterne liessen ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ja, ja, ich esse nun mal gern und dazu stehe ich auch. Während sich andere über den Santiglaus, den Adventskalender oder die Weihnachtsgeschichte freuen, denke ich an Weihnachtskonfekt und Christstollen. Na und? Ein kurzer Blick auf seinen Bauch brachte ihn jäh zur Besinnung. Ich werde mich in diesem Jahr zurückhalten, ganz bestimmt, denn es wird mit zunehmendem Alter immer schwieriger, das Gewicht zu halten. Beim Stichwort Alter zuckte der Kommissär unwillkürlich zusammen. Was war eigentlich aus dem familiären Weihnachtsmarktdrama mit den beiden alten Damen in der Hauptrolle geworden? Offenbar hatte sich dieses in Minne aufgelöst. Wenn es nur dabei bleibt und nicht etwa die Ruhe vor dem Sturm ist. Die Steinenvorstadt war am frühen Morgen noch menschenleer. Einzig einige kleinere Lieferwagen wurden abgeladen.
Ferrari setzte sich an seinen Schreibtisch und überflog die Tageszeitungen, die ihm Nadine auf den Tisch gelegt hatte. Arian Nostramo schien von den Titelseiten verschwunden zu sein. Thema Nummer eins war der Stellenabbau bei einem grossen Bauunternehmen, das kurz zuvor für das dritte Quartal des Jahres einen Rekordgewinn bekannt gegeben hatte. Unverständlich! Und eigentlich auch inakzeptabel. Manche lernen es wohl nie. Hatte denn die Bankenkrise vor einigen Jahren nichts bewegt? Viel zu wenig. Noch immer stand für einzelne Konzerne die Gewinnmaximierung an erster Stelle. Was mit den Menschen geschah, die entlassen wurden, interessierte sie nicht. Rekordgewinn und Entlassungen gingen einher, damit im nächsten Jahr die Gewinne nochmals anstiegen.
«Hast du das von der Körner-Gruppe gelesen? Eine Frechheit! Fünfhundert Entlassungen, und das kurz vor Weihnachten. Dagegen sollte es ein Gesetz geben. Der Staat müsste einschreiten können», echauffierte sich Nadine.
«Ob die Politiker dafür die Richtigen sind, bezweifle ich.»
«Du bist wohl Aktionär bei dem Bauunternehmen.»
«Das nicht. Übrigens, ich bin deiner Meinung. Aber ich bin dagegen, dass sich Politiker in die Wirtschaft einmischen. Stell dir unseren Staatsanwalt vor. Soll er plötzlich einem Baukonzern gute Ratschläge geben?»
«Schreckliche Vorstellung! Von daher ist es ein Wink des Schicksals, dass er bei der letzten Wahl sang- und klanglos untergegangen ist.»
«Ich habe alles gehört, Herrschaften!» Staatsanwalt Borer stand im Türrahmen. «Es ist immer gut, zu wissen, wer auf welcher Seite steht.»
Nadine schmunzelte.
«Trauen Sie es sich denn zu, einen Körner-Konzern zu leiten?»
«Meine liebe Frau Kupfer! Unterschätzen Sie mich nicht. Ich würde das mit links hinkriegen. Besser als diese hoch bezahlten, sogenannten Spitzenmanager.»
«Verkauf deine Aktien, Francesco! Körner macht bald Konkurs.»
«Sie verkennen die Realität, Frau Kupfer! Gerade gestern führte ich mit Gustav Berger ein längeres Gespräch.»
«Dem Verwaltungsratspräsidenten der Leher AG?»
«Eben diesem. Er bot mir einen Sitz im Verwaltungsrat an. Das würde er wohl kaum, wenn er mich nicht für fähig hielte.
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