Das Auge des Sehers (German Edition)
Ich musste leider ablehnen. Es wäre eine zu grosse zusätzliche Belastung gewesen.»
«Kauf ja keine Aktien von Leher, Francesco!»
«Sie sind aber sicher nicht da, um mit uns über Konzerne zu sprechen, Herr Staatsanwalt.»
«Das nicht. Trotzdem war es gut, zu vernehmen, wie Sie zwei von mir denken. Ich werde es mir merken.»
«Wie geht es Ihren Pflanzen?»
«Sie gedeihen prächtig. Morgen kommt das hoch gepriesene Klimagerät. Dann werden sie sich bald bis zur Decke ranken.»
«Das Büro unseres Staatsanwalts wird zum Urwald und er kann sich dann wie Tarzan von Liane zu Liane schwingen.»
«Ha, ha! Ihre Scherze sind geradezu peinlich, Frau Kupfer … Ich wollte mich erkundigen, ob es Neues in Ihrem Fall gibt, Ferrari.»
«Es gab anscheinend Streit zwischen Andrea Grossen, einer Stiftungsrätin …»
«Ich kenne Andrea. Eine hervorragende Finanzfachfrau.»
«… und Arian Nostramo. Wir sind eigentlich schon auf dem Weg, um sie deswegen zu befragen.»
«Die Familie Grossen ist ziemlich einflussreich in Basel.»
«Verstehe, Herr Staatsanwalt. Wir werden uns dementsprechend benehmen.»
«Wers glaubt, Herrschaften, wers glaubt!», seufzte Borer und verliess kopfschüttelnd das Büro.
Das Bankhaus Grossen, eine Privatbank mit Sitz in einem unauffälligen Gebäude an der Schneidergasse, gehörte zu den ersten Adressen in der Vermögensverwaltung.
«Siehst du den Lällekönig?»
«Vor hier aus? Da müsste ich Röntgenaugen haben. Ich bin nicht Supergirl.»
«Dann schau nach oben.»
Am Dachfirst eines Eckhauses streckte ihnen ein Lällekönig die Zunge heraus.
«Es gibt mehrere in der Stadt. Ursprünglich befand er sich am Grossbasler Rheintor.»
«Lustig. Gibts auch welche im Kleinbasel?»
«Ich glaube nicht.»
«Aha. Der Herr Historiker ist sich nicht ganz sicher. Wissen und glauben sind zwei Paar Stiefel.»
«Hm.»
Andrea Grossen holte sie am Empfang ab und führte sie in ein Sitzungszimmer im obersten Stock. Ferrari tippte Nadine leicht an und deutete auf ein Amulett, das mit funkelnden Diamanten gefasst an einer schönen Goldkette über der hoch geschlossenen Bluse baumelte. Es war das Auge des Sehers.
«Darf ich kurz auf den Balkon?», fragte der Kommissär.
«Bitte. Seien Sie aber vorsichtig, es ist glitschig.»
Trotz der Kälte stand Ferrari einige Minuten auf dem Balkon und genoss die herrliche Aussicht auf die benachbarten Dachgärten. Basel war einfach wunderbar. Der Rhein, die alte Bausubstanz und die vielen verwinkelten Orte. Wenn diese Häuser Geschichten erzählen könnten, das wäre unendlich spannend. Vom Haus gegenüber winkte ihm eine Frau zu, die im Mantel das letzte Laub auf ihrem Dachgarten zusammenwischte. Der Kommissär winkte freundlich zurück.
«So ein Altstadthaus hat schon Atmosphäre.»
«Es zieht durch alle Ritzen und wenn du etwas ändern willst, pocht der Denkmalschutz an die Tür. Wenn Sie das unter Atmosphäre verstehen», lachte Andrea Grossen. «Kaffee, Tee, Mineral?»
«Einen Kaffee, bitte. Obwohl wir bei Alura Randa damit nicht gut angekommen sind.»
«Das kann ich mir gut vorstellen, Frau Kupfer. Alura ist eine Teeliebhaberin. Damit wären wir ja auch schon beim Thema», ihre Stimme klang nachdenklich und irgendwie traurig.
«Wie standen Sie zu Arian Nostramo?»
«Er war … er war ein sehr, sehr guter Freund.»
Tränen schimmerten bei diesen Worten in ihren Augen.
«Hatten Sie ein Verhältnis mit ihm?»
Na ja, das ist wohl nicht das, was Borer unter Diskretion versteht, Nadine!, schoss es Ferrari durch den Kopf.
«Nein, kein Verhältnis. Arian war meine grosse Liebe.»
«Davon ist aber nie etwas an die Öffentlichkeit gedrungen.»
«Das wollten wir auch nicht. Sonst hätten wir uns vor Paparazzi nicht mehr retten können. Arian Nostramo, der grosse Hellseher, und Andrea Grossen, die Tochter des Privatbankiers! Das wäre ein gefundenes Fressen für die Medien gewesen. Es gibt viele Aufnahmen von Arian und mir, etwa bei seinen Auftritten oder zuletzt an der AVO Session. Da waren wir auch zusammen, aber wir traten öffentlich nie als Paar auf. Wir befürchteten immer, dass es einmal rauskommt. Doch irgendwie ist niemand auf die Idee gekommen, das war unser Glück.»
«Ich glaube, gelesen zu haben, dass Sie in den USA gewesen sind», formulierte Ferrari umständlich.
«Bis vor einem Jahr. Ich arbeitete dort zwei Jahre lang in einer Privatbank, bei der wir eine Minderheitsbeteiligung halten.»
«Hielten Sie während dieser Zeit den Kontakt zu
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