Das Auge des Sehers (German Edition)
sie im Schneckentempo durch das Schneegestöber zurückfuhren. Ganz Basel schien vom Wintereinbruch überrascht worden zu sein. Ferrari vermutete, dass der überwiegend grösste Teil mit Sommerreifen unterwegs war. So wie Kollegin Kupfer!
«Ich lasse nachher den Wagen in der Garage. Sicher ist sicher.»
«Sehr vernünftig.»
«Das bin ich. Im Gegensatz zu dir.»
«Hm! Das kann ja mal passieren.»
«Es geschieht öfters, mein Lieber. Wenn ich …»
«Du wiederholst dich. Ich werde ab heute keinen Tropfen Alkohol mehr trinken, ich meine natürlich im Dienst. Grosses Ehrenwort.»
«Schön wärs! Sobald einer eine Cognacflasche oder ähnliches auf den Tisch stellt, ist es vorbei mit deinen guten Vorsätzen.»
«Haben die zwei etwas miteinander?»
«Welche zwei?»
«Anna und dieser Kobel?»
«Es könnte durchaus sein. Sie scheint das Leben in vollen Zügen zu geniessen.»
«Vielleicht weiss deshalb niemand in der Firma, wo sich der Geschäftsführer von Zeit zu Zeit aufhält.»
17. Kapitel
Über Nacht legte sich eine dreissig Zentimeter dicke Schneeschicht auf Basel. Früh für dieses Jahr, aber wunderschön, dachte Ferrari, der zwanzig Minuten an der Endstation auf den Dreier wartete. Ich hätte wärmere Schuhe anziehen sollen. Wo bleibt denn dieses verfluchte Tram?! Wieder mal typisch. Ein bisschen Schnee und schon fällt die gesamte zivilisierte Welt in sich zusammen. Seit einer Woche ermitteln wir nun im Mordfall Arian Nostramo. Und mit welchem Resultat? Einer unserer Hauptverdächtigen entpuppt sich plötzlich als Freund des Ermordeten, während Alura Randa, Isabelle Gutmann, Jason Untala und Irion sich wohl kaum den Ast absägen, auf dem sie sitzen. Am ehesten vielleicht noch Alura, die sich als neuen Guru sah, oder Jason, der anscheinend ziemlich ehrgeizig war. Für die Stiftungsräte gab es nach dem Ableben von Arian auch keinen Blumentopf zu gewinnen. Sie würden die Fernsehsendung einstellen und sich in den nächsten Jahren darauf beschränken, die Stiftung am Leben zu erhalten. Blieben noch Walter Im Obersteg und der anonyme Anrufer bei TV8, beide gehörten zum engsten Kreis der Verdächtigen.
Die Beerdigung auf dem Friedhof Hörnli war für zehn Uhr angesagt. Nadine und der Kommissär beobachteten die Trauergemeinde. Schliesslich war in jedem besseren Krimi zu sehen, dass der Täter bei der Beerdigung seines Opfers aufkreuzte. Mit etwas Glück würde heute die Fiktion zur Realität. Die Abdankungskapelle füllte sich zunehmend. Obwohl die Beerdigung im kleinen Kreis hätte stattfinden sollen, drängten sich Promis und solche, die es gern wären, durch die Menge nach vorne. Die Geheimhaltung hatte wie so oft nicht funktioniert. Zuvorderst in den ersten Reihen sass die Nostramo-Gemeinschaft, ganz in Weiss gekleidet, gefolgt von den Stiftungsräten und einigen wenigen Politikern. Hunderte von weissen Kerzen flackerten, sie erzeugten eine einzigartige Stimmung. Draussen hielt sich die Polizei mit einem Grossaufgebot am Hinterausgang des Friedhofs in Bereitschaft. Beim Haupteingang liess der Kommandant zwanzig Mann gut sichtbar in voller Montur aufstellen, als Abschreckung für allfällige Demonstranten. Unzählige Anhänger versammelten sich denn auch vor dem Friedhof, um Arian die letzte Ehre zu erweisen. Doch alles verlief friedlich. Nachdem der Pfarrer seine Predigt beendet hatte, sprach zuerst Alura Randa und danach Andrea Grossen zur Trauergemeinde. Alura wähnte sich in höheren Sphären und zelebrierte mehr sich selbst, als auf den Verstorbenen einzugehen. Bei Andrea Grossen spürte man deutlich, dass sie unter dem Verlust litt. Mitten in ihrer Rede wurde sie von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt. Yvo Liechti wollte ihr beistehen, aber sie wies ihn zurück. Nach einigen Sekunden erholte sie sich und führte ihre Trauerrede zu Ende. Tief von ihren Worten berührt, wischte sich Ferrari Tränen aus den Augen.
Erstaunlich war, dass sich die Medien vornehm zurückhielten. Auf dem Platz vor der Kapelle wimmelte es zwar von Radio- und Fernsehanstalten, aber selbst dann, als die Trauerprozession zum Grab ging, blieben sie im Hintergrund.
«Der lässt auch keinen Anlass aus, um sich ins Gespräch zu bringen.»
Ferrari schaute sich um, konnte aber nichts Besonderes erkennen.
«Ganz hinten. Unser Staatsanwalt im Gespräch mit Telebasel», päzisierte Nadine.
«Er hat seinen Traum von der politischen Karriere noch nicht aufgegeben.»
«Sieht ganz so aus.»
Nach knapp zwei Stunden war die
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