Das Auge des Sehers (German Edition)
ich Ihnen.»
«Hätte Francesco zuschauen sollen, wie die Demonstranten die Nostramos totschlagen?»
«Halten Sie sich raus, Frau Kupfer! Ich spreche mit Ferrari. Die Kollegen hatten alles im Griff. Ihr Einschreiten war überhaupt nicht notwendig.»
«Da kann ich nur lachen. Die Demo ist ausser Kontrolle geraten. Deeskalation bis zum Gehtnichtmehr! Und nur, weil ihr Politikerärsche euch vor der öffentlichen Meinung in die Hosen macht.»
«Das ist die Höhe! Was erlauben Sie sich!»
«Ich sage nur, was alle sowieso denken. Wo waren Sie eigentlich? Haben Sie vielleicht gerade ein Interview gegeben, während wir mit Steinen beworfen wurden?»
«Ich wiederhole, die Situation war unter Kontrolle. Es flogen nur vereinzelte Schneebälle.»
«Und was für welche. Aber davon haben Sie überhaupt keine Ahnung, weil Sie und Ihresgleichen davongerannt sind und uns dem Schicksal überlassen haben.»
«Lass es gut sein, Nadine. Vielleicht bin ich wirklich übers Ziel hinausgeschossen.»
«Das bist du nicht. Du hast das einzig Richtige getan. Der soll sich doch zu seinen Pflanzen verkriechen und sich am besten mit ihnen zusammen einmauern.»
«Noch ein Wort, Frau Kupfer, und ich vergesse mich!»
«Sie vergessen sich? Sie verdammtes Arschloch schreien hier in Francescos Büro herum und machen ihm Vorwürfe, anstatt sich vor ihn zu stellen. Wenn Sie noch einen Funken Respekt im Ranzen haben, entschuldigen Sie sich bei ihm und geben dann eine Pressekonferenz, in der sie den Einsatz der Polizei würdigen, und zwar als verhältnismässig.»
«Verhältnismässig!», schrie Borer. «Sie mit Ihrer rosaroten Brille, Sie dumme Kuh! Ihr Francesco darf sich anscheinend alles erlauben. Aber dieses Mal ist er zu weit gegangen. Kompetenzüberschreitung! Und dies, obwohl der Kommandant ausdrücklich verlangte, dass wir nicht einschreiten … Ja, was denn? Sie sehen doch, dass wir hier diskutieren.»
Annina Steiner, Jakob Borers Sekretärin, winkte ihn zu sich.
«Wie? … Ich komme … Jetzt haben wir den Salat. Regierungsrat Schneider will mich sprechen. Glauben Sie ja nicht, dass das gegessen ist. Ich suspendiere Sie beide.»
Borer schlug die Tür hinter sich zu.
«Wie geht es Alura?»
«Leichte Gehirnerschütterung und eine tiefe Fleischwunde. Die Wahnsinnigen haben tatsächlich Steine in die Schneebälle gepackt.»
«Gab es noch weitere Verletzte?»
«Nur wenige. Ein paar Schrammen, mehr nicht.»
«Was ist mit dem Mann, der auf mich losrannte?»
«Sitzt unten in einer der Zellen.»
«Ich möchte mich mit ihm unterhalten. Kannst du ihn bitte raufbringen lassen? Danke.»
«Weshalb willst du mit ihm sprechen?»
«Es muss doch einen Grund dafür geben, wenn jemand so total ausflippt. Der ist auf uns los, nachdem alle anderen schon geflüchtet sind. So benimmt sich niemand, der noch einen Funken Verstand im Gehirn hat.»
Jakob Borer kam mit hochrotem Kopf zurück.
«Nun, gehen wir in die nächste Runde?», forderte ihn Nadine heraus.
«Ich … nun, vielleicht bin ich ein wenig … ein bisschen zu hart mit Ihnen ins Geschütz gegangen.»
«Ah, auf einmal?»
«Halten Sie sich zurück, Frau Kupfer!», zischte der Staatsanwalt. «Ich habe das mit dem verdammten Arschloch nicht vergessen. Es war ein wenig viel in den letzten Stunden … Schwamm drüber, Ferrari.»
Staatsanwalt Borer streckte dem Kommissär die Hand hin. Der Kommissär schlug vorsichtig ein.
«Nun, denn! Machen Sie weiter, Herrschaften. Wir müssen einen Mord aufklären.»
Nadine und der Kommissär sahen sich an.
«Spinnt der oder habe ich etwas verpasst?»
«Keine Ahnung. Ah … Stephan, ich muss mich noch bei dir entschuldigen, dass ich dich in die unangenehme Lage gebracht habe.»
«Entschuldigen? Und welche unangenehme Lage?»
«Na, dass ich meine Kompetenzen überschritten und deine Truppe in den Untergang geführt habe.»
«Spinnst du? Wir sind doch die grossen Helden! Alura Randa ist das Thema Nummer eins in den Nachrichten und die Medien sind der einhelligen Meinung, dass wir richtig gehandelt haben. Deeskalation in allen Ehren, aber irgendwann sei genug. Dann müsse der Staat zeigen, dass er seine Bürger gegen Krawallmacher von links und rechts schützen könne. Und heute sei ein solches Signal ausgesendet worden.»
«Daher die Kehrtwendung unseres Staatsanwalts.»
«Nicht nur deshalb. Schneiders und Leutolds Töchter sind bekennende Nostramos. Sie waren auch an der Beerdigung und gerieten in den Schneeballhagel. Schneider bedankte sich
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