Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Auge von Tibet

Das Auge von Tibet

Titel: Das Auge von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
anderen an den Gehegen vorbeigekommen. Hinter den schweren Gattern tummelten sich mittlerweile unzählige Tiere, trampelten ruhelos umher und schauten gehetzt und verwirrt zu den Kasachen und Uiguren, die sie wehmütig aus einiger Entfernung betrachteten und sich nicht zu nähern wagten, weil an jedem Tor Wachposten der Kriecher standen.
    Shan, Jowa und Jakli folgten Fat Mao durch eine Seitenstraße, die parallel zum Platz verlief. Mit grimmiger Miene wies der Uigure auf zwei schwarze Geländewagen, die in der Nähe geparkt standen. »Eines der Einsatzkommandos«, sagte er zu Shan. »Es sind kürzlich zwei weitere eingetroffen. Eines aus Kashi und eines von einem Stützpunkt in Tibet.« Er sah Jakli an und verzog das Gesicht. »Sie werden bald damit anfangen, die Die junge Frau seufzte, rang dem Uiguren dann das Versprechen ab, weiterhin nach den Tibetern zu suchen, und machte sich zu ihrer Fabrik auf. Nach ein paar Schritten hielt sie inne und drehte sich um. »Es könnte sein, daß Nikki herkommt. Richtet ihm aus, er soll in die Berge zurückkehren und sich erst wieder beim Reiterfest blicken lassen.« Dann eilte sie davon, um Hüte anzufertigen.
    Fat Mao führte Shan und Jowa zu einem kleinen Restaurant in einem alten Lehmziegelgebäude. An der Tür hing ein Schild, auf dem in chinesisch, englisch und der einheimischen Turksprache Geschlossen stand. Der Uigure sah sich hastig nach etwaigen Patrouillen um und brachte sie zur Rückseite des Hauses. Durch die Küche gelangten sie in den vorderen Gastraum. Neben einem der hinteren Tische kniete auf einem kleinen Gebetsteppich eine stämmige Frau mit weißer Schürze und rotem Kopftuch. Sie warf ihnen einen kurzen Blick zu, stieß ein undeutliches Geräusch aus, das wohl einen Gruß bedeuten sollte, hob dann den Arm und legte einen Schalter an der Wand um. Sie tat es zweimal, ohne daß die Beleuchtung des Raums darauf reagiert hätte. Danach ging Fat Mao durch eine Tür voran und stieg eine klapprige Treppe in einen verstaubten Keller hinunter, dessen Boden aus festgestampfter Erde bestand. In einem Wandregal lagen Decken, Kleidungsstücke und viele verschiedene Mützen und Schuhe. Verkleidungen. Unter einer einzelnen nackten Glühbirne saßen an einem Tisch ein Mann und eine schmächtige Frau, die ihr Haar zu zwei kurzen Zöpfen geflochten hatte, und konzentrierten sich auf den Bildschirm eines Laptop-Computers. Den Mann erkannte Shan wieder. Er wurde Mao der Ochse genannt, ein mürrischer, breitschultriger Kasache, der auf dem Reistransporter zum Lager Volksruhm gesessen und an der Fernstraße den Schildkrötenlaster übernommen hatte, um Lokesh und Bajys nach Senge Drak zu fahren. Fat Mao stellte die Frau als Mao die Schwalbe vor. Mao der Ochse hatte neben sich etwas liegen, das er angestrengt betrachtete. Als er Shan bemerkte, legte er ein Stück Papier darüber, aber eine kleine Ecke war trotzdem noch zu erkennen. Es handelte sich um eine der Holztafeln.
    Die Hälfte von Xus Häftlingen sei entlassen worden, nachdem die Anklägerin weitere Befragungen durchgeführt hatte, berichtete Mao die Schwalbe und streckte ihnen einen Zettel entgegen. Sorgfältig studierte Shan die Liste. Der Wasserhüter stand nicht darauf. Vor der Frau lag ein Umschlag mit Disketten auf dem Tisch. Shan sah dabei zu, wie die anderen ein halbes Dutzend der Datenträger überprüften, aber an der Namenliste änderte sich nichts mehr. Nach einer Weile wurde ihm klar, daß er auch Mao die Schwalbe zuvor schon gesehen hatte, und zwar an einem der Computer im Lager Volksruhm.
    »Sie haben gesagt, daß Sie manchmal Leute verfolgen«, wandte Shan sich an Fat Mao. »Was ist mit Bao?«
    »Zum Krankenhaus, wo er seine Wunde behandeln ließ«, antwortete Mao die Schwalbe mit kalter Wut. »Dann zum Lager Volksruhm. Dort hat er Verhöre durchgeführt. Die Kriecher haben alte Männer zur Befragung festgenommen. Manche davon sahen wie Tibeter aus und wurden auf den Hügeln erwischt.« Sie hob den Kopf und schien den Schmerz in Shans Blick zu erkennen. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    Shan seufzte und schüttelte langsam den Kopf. Bao suchte nach einem Lama. »Und Ko?«
    »Der war gestern in der Klinik und hat die Eltern von Neugeborenen besucht«, ertönte die tiefe Stimme Maos des Ochsen. »Er wollte die neue statistische Erhebung der Brigade erläutern und den Eltern verdeutlichen, warum sie gewisse Fragen beantworten müssen. Angeblich will man sich einen besseren Überblick über die verschiedenen

Weitere Kostenlose Bücher