Das Baby vom Deich
seine Ursprünglichkeit und Vielfalt, die bestimmt ist durch die Dynamik von Ebbe und Flut, den wechselnden Einflüssen von Wetter, Wind, Wellen. Unzähligen Pflanzen und Tieren bietet das Watt Lebensraum. Kauf dir ein paar Gummistiefel und wir gehen bei Ebbe hinüber, latschen im Schlick herum. Mach es bitte nicht allein, weil das meistens schief geht. Hol dir bitte einen Tidenkalender. Den gibt's es überall umsonst."
"Hab ich mir gestern besorgt, zusätzlich ein paar gelbe Gummistiefel, einen gelben Friesennerz oder wie die Dinger heißen. Eine blaue Mütze mit Moin, moin und zwei schiefe Tassen mit einem Leuchtturm, einer Robbe darauf."
"Perfekt gerüstet. Nicht nur Wattwürmer und Fische, sondern Millionen Vögel und Meeressäuger wie Seehunde oder Schweinswale findest du in der näheren Umgebung. Zum Schutz des einzigartigen Ökosystems wurde am 1. Oktober 1985 der erste deutsche Küsten-Nationalpark eingerichtet: Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. 1976 wäre die Stadt ohne den Schutz der Deiche geflutet gewesen. Heute sind die Schutzwälle 8,20 Meter hoch. Längst nicht hoch genug, behaupten Kritiker angesichts des Klimawandels. Wie es ist, wenn die Deiche brechen, damit kennen sich die Nordfriesen aus. Im 12. Jahrhundert waren sie nur 1,20 Meter hoch. 1362 hat eine Sturmflut, die große Mandränke, das Marschland vor Husum vernichtet. Mehr als 8.000 Menschen sollen damals umgekommen sein. 30 Kirchen versanken in der Nordsee. Husum profitierte von der Sturmflut. Rungholt, die wichtigste Handelsstadt an der Westküste und somit eine Konkurrentin, versank in den Fluten. Die zweite große Flutkatastrophe, die zweite große Mandränke, im Jahr 1634, hatte für Husum im Nachhinein ihr Gutes: Unseren Hafen. Erstes Handelsgut war das so genannte Friesensalz. Es wurde durch das Verbrennen von im Wattenmeer gestochenem Torf gewonnen. Durch Aschereste bitter, wurde das Friesensalz durch das Baiensalz, vom reinen Salinensalz vom Markt verdrängt. Husum war durch den Ochsenweg mit Flensburg verbunden und wurde so zum Westhafen der im Norden mächtigen Handelsstadt. Es gewann seinen Reichtum vor allem aus dem Export der landwirtschaftlichen Überschüsse der Marsch. Die Insel Strand wurde in Nordstrand und Pellworm zerrissen, die Halligen Nieland und Nübbel verschwanden. Über 1.300 Häuser, 28 Windmühlen und 50.000 Viecher gingen angeblich durch den Untergang der Insel verloren. Der 3./4. Februar 1825 sollte zur Jahrhundertflut des 19. Jahrhunderts werden. In Jütland brach die Nordsee zum Limfjord durch. In den Herzogtümern blieb sie vor allem als die Halligflut im Gedächtnis, weil dort besonders schwere Schäden zu beklagen waren. Dazwischen gab es immer wieder Sturmfluten, aber die weniger spektakulär waren."
Sein Handy klingelte und er meldete sich.
"Gib mir bitte die Adresse." "Hast du etwas über sie gefunden?" "Wir fahren anschließend hin. Wir sind noch am Simonsberg. Überprüf bitte die Eltern." "Danke, Andrea!" Er steckte das Handy in die Hosentasche. "Eltern haben eine 16-jährige als vermisst gemeldet. Da fahren wir danach hin. Dort gerade hoch haben wir den Lütten gefunden."
"Sonst nichts?"
"Nichts!"
"Kannst du dich noch an eine Sturmflut erinnern?"
"An die Nordfrieslandflut am 24. 11.1981. Mein Vater und mein Großvater sind mit mir und meinem Bruder bevor es zum Höhepunkt kam zum Deich gegangen. Einar und ich fanden das toll. Der Wind peitschte das Wasser hoch, das gegen den Deich gischtete. Größere Schäden blieben damals aus. Die Nächste größere kam 1990. Die Küste erlebte in drei Tagen zwei Sturm-, zwei Orkanfluten und eine Windflut. In Büsum wurden Windgeschwindigkeiten von 162 Stundenkilometer gemessen. Zu Schäden kam es allein beim Deich von Dagebüll sowie an den Steil- und Dünenküsten. Aufgrund der Klimaentwicklung wird befürchtet, dass der Wasserstand der Nordsee weiter steigt und Sturmfluten in Zukunft häufiger auftreten. Noch gibt es Reserven, um die Deiche weiter zu erhöhen. Hingegen setzten vor allem die unter der Marsch liegenden Moorlinsen dem Grenzen. Sie sind kaum noch weiter belastbar. Ver- größern die Deiche weiter, trägt der Untergrund das Gewicht nur noch bedingt."
"Also kein Haus oben."
"Nie! Ich wohne kurz hinter dem Deich und zuweilen ist es ein komisches Gefühl, obwohl ich gewiss kein ängstlicher Mensch bin. Im Januar 1993 folgten abermals mehrere Sturmfluten, die vor allem Sylt stark schädigten. Mein Bruder und ich haben uns heimlich aus
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