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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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dachte Rebecca, militärisch eben. Und nicht besonders liebenswürdig. »Was wollen Sie hier?«, fragte er brüsk. »Sie befinden sich auf militärischem Gelände. Besucher müssen angemeldet werden.« Der Blick, den er Alyssa zuwarf, war noch weniger liebenswürdig.
    Während der Jeep vom Wüstenstaub verhüllt gewesen war, hatte Rebecca in ihren Blazer gegriffen.
    »Wir sind Diplomaten«, sagte sie freundlich und hielt zwei Ausweise in die Höhe. Duarte musste irgendjemanden am frühen Morgen aus dem Bett geholt haben, um das Dokument für Fabio ausstellen zu lassen.
    Die Brauen des Obersts zogen sich zusammen, als er ihr die Papiere aus der Hand rupfte. » Pontifica Commissione per lo Stato dell’ Vaticano …« Wieder ging sein Blick zu Alyssa. »Wollen Sie mich auf die Schippe nehmen?«
    Rebecca musste an ihre Begegnung mit den beiden carabinieri denken, auf dem Parkplatz in der Nähe der Via Oddone. Merthes war offenbar aus anderem Holz geschnitzt, wobei man ihm zugute halten musste, dass er vermutlich noch keinen im Vatikan ausgestellten Pass in die Hand bekommen hatte.
    »Betrachten Sie uns als Militärbeobachter«, sagte Rebecca ruhig, behielt die Freundlichkeit in ihrer Stimme bei, ließ sie aber aus ihrem Gesicht verschwinden.
    Merthes sah fürchterlich deutsch aus. Stahlblaue Augen -
fast ein Klischee. Er schielte ein wenig, das machte es erträglich, doch er schlug den Blick nicht nieder, sondern ließ ihn bestimmt in Richtung Jeep wandern. »Kommen Sie mit!«, brummte er. »Wir werden das prüfen.«
    Sich für die Einladung zu bedanken hielt Rebecca für überflüssig. Kommentarlos kletterte sie auf die Rückbank, gefolgt von Fabio. Alyssa ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten.
    Mit düsterer Miene startete Merthes den Motor. Während der Fahrt wechselte er einige Worte mit Rebeccas Schwester. Auf der Rückbank kamen nur Fetzen an, doch immerhin glaubte Rebecca das Wort Grippe aufgeschnappt zu haben. Warum sollte die Krankheit auch ausgerechnet in Afghanistan kein Thema sein?
    Rechter Hand war eine Gruppe olivfarbener Zelte zu sehen, rote Kreuze auf weißem Grund: das Feldlazarett. Mit raschen Schritten eilten Menschen hin und her, darunter auch Einheimische. Wie viele der Krankheitsfälle, die dort versorgt wurden, mochten schon der Grippe zuzuschreiben sein?
    Der Asphalt holperte unter ihnen dahin. Rebecca warf einen kurzen Blick auf Fabio, dessen Augen starr auf Alyssas Nacken gerichtet waren. Von den Militärfahrzeugen, die sie jetzt passierten, nahm er keine Notiz - dabei waren sogar zwei Panzer dabei. Nein, sie wurde nicht klug aus dem Jungen.
    Mehrfach kamen sie an Gruppen von Soldaten vorüber, im Tarnfleck ihrer Kampfanzüge. Einmal kreuzte sich Rebeccas Blick mit den Augen eines der Uniformierten. Sie glaubte eine Spur Neugier in ihnen zu lesen, vor allem aber Müdigkeit und Erschöpfung.
    Es ist ein Krieg, dachte sie. Ganz gleich, wie sie es nennen. Ein Krieg gegen einen Feind, der unsichtbar ist, und das macht es noch sehr viel schlimmer.

    Neben der Piste sah sie Tarnnetze, die am Boden ausgebreitet waren. Flugabwehrstellungen? Das Hauptquartier war mehr als einmal Ziel von Angriffen gewesen. So weitläufig es auf den ersten Blick auch wirkte, konnte Rebecca sich nur zu gut vorstellen, in was für einer Klaustrophobie man lebte, wenn man hier seinen Dienst ableistete. In jeder Richtung waren es nur ein paar hundert Meter zu den langgestreckten Barrikaden aus Sandsäcken, die sich rund um die Anlage zogen, zusätzlich gesichert durch Girlanden von Stacheldraht. Von hier aus wollte man dem Land beim Wiederaufbau helfen, beim Aufbruch in eine friedliche Zukunft?
    Camp Marmal war eine belagerte Festung inmitten von Feindesland.
    Schließlich erreichte das Militärfahrzeug die Unterkünfte, Container aus Wellblech in Reih und Glied, in einem Gelb, das den Augen wehtat. Hier und da ragten Flaggenmasten mit dem Schwarz-Rot-Gold der Deutschen auf, dazu die blau-weiß-roten Fahnen Schwedens und Kroatiens, die kleinere Kontingente stellten.
    Vor einer Front von Baracken, die sich durch nichts von ihren Nachbarn unterschieden, brachte Merthes den Jeep zum Stehen. Erst jetzt sah Rebecca das Schild: Headquarter. Regional Command North. Mazar E Sharif. Das Emblem der ISAF mit weißer Schrift auf grünem Grund, daneben ein Wappen. Ein seltsam nüchterner Anblick. Militärisch wie die Kurverwaltung von Bad Münstereifel.
    Wortlos stieg der Oberst aus, ohne darauf zu achten, ob sie ihm folgten.

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