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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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mehrere Filter über die Aufnahme laufen lassen«,
erklärte Stoltenbeck. »Stabilisatoren. Das hier ist das Beste, was sich machen lässt.«
    Wie von selbst war Rebecca zwei Schritte auf den Monitor zugegangen - damit war sie bereits halb durch den Raum. Ja, das sah aus wie Schriftzeichen, doch sie konnte sie nicht entziffern. Dazu hätte es Amadeo gebraucht oder den Professor. Sie konnte lediglich erkennen, dass die Zeichen sehr unterschiedlich waren, im oberen Bereich fast an eine Art Bilderschrift erinnerten, in der Mitte dagegen seltsam verschnörkelt wirkten. Die Buchstaben ganz unten - falls es Buchstaben waren - waren so winzig, dass Rebecca sie kaum auseinanderhalten konnte. Und doch kamen ihr diese Zeichen noch am vertrautesten vor.
    »Die unterste Schrift ist griechisch«, sagte Stoltenbeck. »Zumindest das, was ich entziffern kann. Durch meine private Passion …«
    Rebecca hob fragend eine Augenbraue.
    » Coleoptera .« Mit einer beinahe tätschelnden Geste legte der General die Hand auf sein Terrarium. » Koleos ist die lederne Schwertscheide, pteron der Flügel. Hüllenflügler - Käfer. Ihre Systematik ist kaum zu begreifen, wenn Sie nicht ein klein wenig Griechisch verstehen. Sie mögen es nicht glauben, aber Afghanistan ist ein wahres Mekka für Käfer.« Er hielt inne, und wieder blitzte ein amüsierter Funke in seinen Augen auf. »Gut, die Einheimischen würden möglicherweise einen etwas anderen Vergleich bemühen.«
    Verblüfft starrte Rebecca auf die gläserne Vitrine.
    »Oh, Sie können sich nicht vorstellen, zu welchen Dingen Käfer in der Lage sind«, murmelte Stoltenbeck, der ihren Blick anscheinend falsch gedeutet hatte. »Wir hatten zeitweise erwogen, hier im Land die Population des ceutorynchus macula-alba zu forcieren, des Mohnkapselrüsslers. Die Jungs hätten wirklich das Zeug, dem Mohnanbau endlich
das Genick zu brechen. Es gibt Studien, nach denen bis heute die Hälfte des Heroins auf dem Weltmarkt letztlich aus Afghanistan stammt. Die Larven des s itophilus oryzae hingegen …«
    »Sie haben den Text also übersetzt?«, fragte Rebecca.
    Der General blinzelte, nickte dann aber. »Ja. Das, was ich lesen konnte. Ihre Schwester konnte wohl noch etwas mehr entziffern, aber Sie sehen selbst, wie verschwommen die Aufnahme ist. Und der unterste Bereich ist ja verdeckt.«
    »Bessere Aufnahmen gibt es nicht?«
    Stoltenbecks Gesichtsausdruck veränderte sich. Er schüttelte stumm den Kopf.
    Merthes räusperte sich. Rebecca hatte den Oberst, der in ihrem Rücken stand, beinahe vergessen.
    »Wir haben zwei Männer verloren an diesem Tag«, sagte er mit rauer Stimme, die ihn ihr zum ersten Mal eine Spur weniger unsympathisch machte. »Die Gegend da oben ist unübersichtlich, und der Widerstand dort hat zugenommen seitdem. Inzwischen sind die Berge ein Rückzugsgebiet der Rebellen.«
    Rebecca nickte, wechselte unwillkürlich einen Blick mit ihrer Schwester. Das konnten sie beide gut nachvollziehen. Die Combattanten unter commandante Duarte hatten es nicht anders gemacht in Südamerika.
    »Und wovon handelt der Text?«, fragte sie.
    »Die Worte sind eine Warnung.« Es war Alyssa, die antwortete. Langsam trat sie auf den Monitor, den im Bild eingefangenen Ausschnitt des Felsenreliefs, zu. »Offenbar wurde sie in mehreren Sprachen niedergeschrieben, damit jeder sie versteht. Eine Warnung vor etwas, das in der Tiefe dieser Berge wartet, verborgen seit sehr langer Zeit. Dort unten: in der Dunkelheit.«

Canons Park, Edgware, England
    Der Himmel über Edgware präsentierte sich in demselben Blau, das Amadeo schon am Mittag in den Docklands so unpassend vorgekommen war. Jetzt und hier, am Rande einer elegant geschwungenen Balustrade, die auf gepflegten englischen Rasen blickte, auf herbstliche Baumgruppen und mehrere Tennisplätze, wirkte die gesamte Szenerie einfach nur … Er suchte nach dem richtigen Wort.
    Surreal , dachte er. Das war es. Auf einem der Tennisplätze lieferten sich zwei junge Leute sogar ein Match - mit Atemmasken zwar, doch in aller Seelenruhe und ganz auf das Spiel konzentriert. Frauen mit Kinderwagen flanierten durch den Park. Auf einer Bank saßen mehrere Herren in vorgerücktem Alter, wie es sie überall auf der Welt gab und zu jeder Zeit gegeben hatte.
    Es war ein dermaßen alltäglicher Anblick - nein, das konnte nicht die Wirklichkeit sein. Die Welt fiel in Trümmer, diese Stadt , die Hauptstadt des Vereinigten Königreichs, stürzte ins Chaos der grippalen Agonie, und ihre

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